Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluss des Rates über den Standpunkt, der im Namen der Europäischen Union im Assoziationsrat zu vertreten ist. Wahl der Rechtsgrundlage
Normenkette
AEUV Art. 48, 217, 79 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland |
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.
3. Irland und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 15. Februar 2013,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch M. Holt, C. Murrell, E. Jenkinson und S. Behzadi Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dashwood, QC,
Kläger,
unterstützt durch:
Irland, vertreten durch L. Williams als Bevollmächtigte im Beistand von N. Travers, BL, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Finnegan und M. Chavrier als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch:
Europäische Kommission, vertreten durch A. Aresu, J. Enegren und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, A. Ó Caoimh und J.-C. Bonichot, der Richter J. Malenovský, E. Levits und A. Arabadjiev, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Jarašiūnas (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2014,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. Juli 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit seiner Klage beantragt das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Nichtigerklärung des Beschlusses 2012/776/EU des Rates vom 6. Dezember 2012 über den Standpunkt, der im Namen der Europäischen Union im Assoziationsrat, der im Rahmen des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei eingesetzt wurde, im Hinblick auf die Annahme von Vorschriften für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu vertreten ist (ABl. L 340, S. 19, im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Abkommen EWG-Türkei) wurde am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und der Gemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten andererseits unterzeichnet. Es wurde durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685), der auf der Grundlage von Art. 238 des EWG-Vertrags (jetzt Art. 217 AEUV) erlassen wurde, im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt.
Rz. 3
Ziel dieses Abkommens ist nach Art. 2 Abs. 1, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, dass hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstands und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden.
Rz. 4
Nach Art. 9 des Abkommens ist für dessen Anwendungsbereich „jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten”.
Rz. 5
Art. 12 des Abkommens bestimmt:
„Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen.”
Rz. 6
Das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnete und mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossene, gebilligte und bestätigte Zusatzprotokoll (im Folgenden: Zusatzprotokoll), das dem Abkommen EWG-Türkei als Anhang beigefügt ist und nach seinem Art. 62 Bestandteil dieses Abkommens ist, sieht in Art. 36 vor:
„Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei wird nach den Grundsätzen des Artikels 12 des [Abkommens EWG-Türkei] zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt.
…”
Rz. 7
Art. 39 des Zusatzprotokolls lautet:
„(1) Der Assoziationsrat erlässt vor dem Ende des ersten Jahres nach Inkrafttreten dieses Protokolls Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern, sowie für deren in der Gemeinschaft wohnende Familien.
(2) Diese Bestimmungen müssen ...