Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Artikel 49 EG. Freier Dienstleistungsverkehr. Unternehmen, das Arbeitnehmer beschäftigt, die Angehörige von Drittstaaten sind. Unternehmen, das Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat erbringt. Arbeitsvisumregelung

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, indem sie sich nicht darauf beschränkt, die Entsendung von Arbeitnehmern, die Angehörige von Drittstaaten sind und in ihrem Hoheitsgebiet Dienstleistungen erbringen sollen, von der vorherigen Abgabe einer einfachen Erklärung durch das in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, das die Entsendung dieser Arbeitnehmer plant, abhängig zu machen, und indem sie verlangt, dass diese Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei diesem Unternehmen beschäftigt sind.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 8. Juni 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und E. Traversa als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch C.-D. Quassowski und A. Tiemann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. September 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, indem sie durch ihre auf Runderlassen basierende Praxis die Entsendung von Arbeitnehmern, die Angehörige von Drittstaaten sind, im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung in durchgängig unverhältnismäßiger Weise einschränkt.

Rechtlicher Rahmen

2 Artikel 3 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,

  • durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
  • durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen,

festgelegt sind:

c) Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; …

…”

3 Die Entsendung von Arbeitnehmern, die Angehörige eines Drittstaats sind, ist in Deutschland im Ausländergesetz in der Fassung vom 9. Januar 2002 (BGBl. 2002 I S. 361, im Folgenden: AuslG), in der Verordnung zu dessen Durchführung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) und in einem vom Auswärtigen Amt an alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Runderlass vom 15. Mai 1999 (im Folgenden: Runderlass) geregelt.

4 Nach den §§ 1 bis 3 AuslG bedürfen Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, für die Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und den Aufenthalt dort einer Aufenthaltsgenehmigung.

5 Nach § 10 AuslG benötigen Ausländer, die sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten wollen, um darin eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, eine besondere Aufenthaltsgenehmigung nach Maßgabe der Durchführungsverordnung.

6 Die Modalitäten der Erteilung des entsprechenden Visums sind im Runderlass geregelt, wonach die diplomatische Vertretung Deutschlands, bei der der Arbeitnehmer, der Angehörige eines Drittstaats ist, für seine Entsendung nach Deutschland ein Visum beantragt, zunächst den Antrag prüft, indem sie sich vergewissert, dass folgende Kriterien und Informationen vorliegen:

  • Beginn und Ende der Entsendung des Drittstaatsangehörigen müssen zeitlich und terminlich klar begrenzt und bestimmt sein.
  • Der Arbeitnehmer muss seit mindestens einem Jahr beim entsendenden Unternehmen beschäftigt sein.
  • Vorzulegen sind die Aufenthaltserlaubnis und gegebenenfalls die im Mitgliedstaat, in dem das entsendende Unternehmen ansässig ist, erteilte Arbeitserlaubnis, damit gewährleistet ist, dass der Betreffende nach Abschluss der Tätigkeit in Deutschland bei diesem Unternehmen weiter beschäftigt wird.
  • Der Drittstaatsangehörige muss dem staatlichen Sozialversicherungssystem des Mitgliedstaats, in dem das ents...

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