Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Anerkennung der Diplome. Richtlinie 89/48/EWG. Ingenieurberuf. Partielle und begrenzte Anerkennung der beruflichen Qualifikationen. Artikel 39 EG und 43 EG
Beteiligte
Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos |
Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos |
Administración del Estado |
Tenor
1. Die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, verwehrt es den Behörden eines Mitgliedstaats, bei denen der Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Diploms einen Antrag auf Genehmigung des Zugangs zu einem reglementierten Beruf in diesem Mitgliedstaat stellt, nicht, dem Antrag auf entsprechendes Ersuchen des Inhabers des Diploms teilweise stattzugeben, indem sie den Geltungsbereich der Genehmigung auf die Tätigkeiten beschränken, zu denen das betreffende Diplom in dem Mitgliedstaat, in dem es erworben wurde, Zugang gewährt.
2. Die Artikel 39 EG und 43 EG verwehren es einem Mitgliedstaat nicht, den partiellen Zugang zu einem Beruf zu versagen, soweit die Lücken, die die Ausbildung des Antragstellers gegenüber derjenigen aufweist, die im Aufnahmestaat verlangt wird, durch Anwendung der in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/48 vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen wirksam geschlossen werden können. Dagegen verwehren es die Artikel 39 EG und 43 EG einem Mitgliedstaat, diesen partiellen Zugang zu verweigern, wenn der Betroffene ihn beantragt und die Unterschiede zwischen den Tätigkeitsbereichen so erheblich sind, dass in Wirklichkeit eine vollständige Ausbildung absolviert werden müsste, es sei denn, die Verweigerung des partiellen Zugangs ist durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt, die zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sind und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 21. Juli 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 2003, in dem Verfahren
Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos
gegen
Administración del Estado,
Beteiligter:
Giuliano Mauro Imo,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter E. Juhász und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos, vertreten durch A. González Salinas, abogado,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und 4 Absatz 1 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16, im Folgenden: Richtlinie), sowie der Artikel 39 EG und 43 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos (Kammer der Wege-, Kanal- und Hafenbauingenieure, im Folgenden: Colegio) und der Administración del Estado über den Antrag von Herrn Imo, der italienischer Staatsangehöriger und Inhaber eines in Italien erteilten Diploms eines Wasserbauingenieurs ist, auf Genehmigung des Zugangs zum Beruf des Ingenieurs für Wege-, Kanal- und Hafenbau in Spanien.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Mit der Richtlinie soll eine Methode zur Anerkennung der Diplome eingeführt werden, die bezweckt, den europäischen Bürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten, die in einem Aufnahmestaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluss an den Sekundarabschnitt abhängig sind, zu erleichtern, sofern sie solche Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden.
4 Nach Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie gelten als „reglementierter Beruf” „die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten insgesamt, die in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen”.
5 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestim...