Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbindliche Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Beschluss des nationalen Rates der Rechtsanwälte. Genehmigung durch den Minister der Justiz. Artikel 5 und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG und 81 EG)
Beteiligte
Compagnia Assicuratrice RAS SpA |
Tenor
Es verstößt nicht gegen die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG und 81 EG), wenn ein Mitgliedstaat eine Maßnahme in Form eines Gesetzes oder einer Verordnung erlässt, durch die auf der Grundlage eines von einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten erstellten Vorschlags eine Gebührenordnung mit Mindest- und Höchstsätzen für die Leistungen der Angehörigen des Berufsstands genehmigt wird, soweit diese staatliche Maßnahme in einem Verfahren wie dem ergeht, das im Real Decreto Legislativo Nr. 1578 vom 27. November 1933 mit seinen späteren Änderungen vorgesehen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-35/99
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Pretore von Pinerolo in dem bei diesem anhängigen Strafverfahren gegen
Manuele Arduino,
Beteiligte:
Diego Dessi,
G. Bertolotto,
und
Compagnia Assicuratrice RAS SpA,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG)
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric, des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, J.-P. Puissochet, M. Wathelet (Berichterstatter), R. Schintgen, V. Skouris und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der italienischen Regierung, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von L. Daniele, Sachverständiger beim Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und D. Colas als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Rotkirch und T. Pynnä als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn Dessi, vertreten durch G. Scassellatti Sforzolini, avvocato, der italienischen Regierung, vertreten durch M. Fiorilli, avvocato dello Stato, der deutschen Regierung, vertreten durch A. Dittrich als Bevollmächtigten, der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, und der Kommission, vertreten durch L. Pignataro, in der Sitzung vom 12. Dezember 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2001,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Pretore von Pinerolo hat mit Beschluss vom 13. Januar 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Februar 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit über die Festsetzung der Kosten im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen Herrn Arduino.
Nationales Recht
3.
Die Grundsätze des Berufsrechts der Rechtsanwälte sind in Italien im Real Decreto Legislativo Nr. 1578 vom 27. November 1933 (GURI Nr. 281 vom 5. Dezember 1933), umgewandelt in das Gesetz Nr. 36 vom 22. Januar 1934 (GURI Nr. 24 vom 30. Januar 1934), mit seinen späteren Änderungen (im Folgenden: Real Decreto Legislativo) niedergelegt.
4.
Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus, der in der Vertretung und Beratung in Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren besteht. Diese Tätigkeit ist in Italien den Rechtsanwälten vorbehalten, wobei grundsätzlich Anwaltszwang besteht (Artikel 82 der italienischen Zivilprozessordnung).
5.
Der Consiglio nazionale forense (Nationaler Rat der Rechtsanwälte, im Folgenden: CNF) unterliegt den Artikeln 52 bis 55 des Real Decreto Legislativo. Er besteht aus Rechtsanwälten, die von den Angehörigen des Anwaltsstands gewählt werden, wobei auf jeden Gerichtsbezirk einer Corte di appello ein Mitglied entfällt, und ist dem Justizminister (im Folgenden: Minister) zugeordnet.
6.
Artikel 57 des Real Decreto Legislativo bestimmt, dass die Maßstäbe für die Festsetzung der Gebühren und Vergütungen, die den Rechtsanwälten und den procuratori in Zivil- und Strafsachen sowie für die außergerichtliche Beratung zustehen, alle zwei Jahre durch Beschluss des CNF festgelegt werden. Nachdem die Gebührenordnung vom CNF beschlossen worden ist, muss sie vom Minister genehmigt werden, der zuvor gemäß Artikel 14 Absatz 20 des Gesetzes Nr. 887 vom 22. Dezember 1984 (GURI, suppl. ord. Nr. 356 vom 29. Dezember 1984) eine Stellungnahme des Comitato interministeriale dei prezzi (Interministerieller Preisausschuss, im Folgenden: CIP) und gemäß Artikel 17 Absatz 3 des Gesetzes Nr.400 vom 23. August 1988 (GURI, suppl. ord. Nr...