Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Auftragserteilung ohne Einleitung eines Ausschreibungsverfahrens (‚In-House’-Vergabe). Auftragnehmer, der rechtlich vom öffentlichen Auftraggeber verschieden ist. Zentrum für die Erbringung von Hilfs- und Unterstützungsdienstleistungen für Krankenhäuser. Gemeinnützige Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht. Mitgliedermehrheit aus öffentlichen Auftraggebern. Mitgliederminderheit aus privatrechtlichen Einrichtungen, karitativen Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht. Tätigkeit, die zu mindestens 80 % des Jahresumsatzes zugunsten der Mitglieder verrichtet wird
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG
Beteiligte
Centro Hospitalar de Setúbal und SUCH |
Centro Hospitalar de Setúbal EPE |
Serviço de Utilização Comum dos Hospitais (SUCH) |
Eurest (Portugal) – Sociedade Europeia de Restaurantes Lda |
Tenor
Die Voraussetzung der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen”, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellt worden ist, damit die Erteilung eines öffentlichen Auftrags als „In-House”-Geschäft gelten kann, ist nicht erfüllt und die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge daher anwendbar, wenn der Auftragnehmer eine gemeinnützige Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht ist, zu deren Mitgliedern bei der Erteilung dieses Auftrags nicht nur Einrichtungen des öffentlichen Sektors, sondern auch private Sozialträger, die ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig sind, zählen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 6. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Dezember 2012, in dem Verfahren
Centro Hospitalar de Setúbal EPE,
Serviço de Utilização Comum dos Hospitais (SUCH)
gegen
Eurest (Portugal) – Sociedade Europeia de Restaurantes Lda
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Centro Hospitalar de Setúbal EPE, vertreten durch M. Real Martins und S. Alves Ribeiro, advogados,
- der Serviço de Utilização Comum dos Hospitais (SUCH), vertreten durch M. Claro, advogada,
- der Eurest (Portugal) – Sociedade Europeia de Restaurantes Lda, vertreten durch M. Lucas Rodrigues, advogada,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. Navegas als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso, A. Tokár und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit dem Vorabentscheidungsersuchen bittet das vorlegende Gericht den Gerichtshof, seine Rechtsprechung zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch unmittelbare, sogenannte „In-House”-Vergabe ohne Anwendung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) zu präzisieren.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Centro Hospitalar de Setúbal EPE (Krankenhauszentrum Setúbal, im Folgenden: Centro Hospitalar) und dem Serviço de Utilização Comum dos Hospitais (Dienst zur Erbringung von Leistungen zur gemeinsamen Nutzung von Krankenhäusern, im Folgenden: SUCH) auf der einen und der Eurest (Portugal) – Sociedade Europeia de Restaurantes Lda (im Folgenden: Eurest) auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit der Vergabe eines vom Centro Hospitalar dem SUCH unmittelbar erteilten öffentlichen Auftrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/18
Rz. 3
Die Richtlinie 2004/18 stellt den rechtlichen Rahmen für die von öffentlichen Auftraggebern vergebenen Aufträge dar.
Rz. 4
Der vierte Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Teilnahme einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Bieter in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privatrechtlichen Bietern verursacht.”
Rz. 5
Art. 1 („Definitionen”) Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie lautet:
„‚Öffentliche Aufträge’ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.”
Rz. 6
Art. ...