Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Übergang von Unternehmen oder Betrieben. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Pflicht zur Übernahme der Arbeitnehmer durch den Erwerber. Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen durch ein Unternehmen. Ausschreibung. Vergabe des Auftrags an ein anderes Unternehmen. Keine Übernahme des Personals. Nationale Bestimmung, die den Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer vom Begriff des Unternehmens- oder Betriebsübergangs ausnimmt
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 1 Abs. 1
Beteiligte
Securitas – Serviços e Tecnologia de Segurança SA |
ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA |
Arthur George Resendes u. a |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass ein Fall, in dem ein Auftraggeber einen Vertrag mit einem Unternehmen zur Erbringung von Bewachungs- und Sicherheitsdienstleistungen in seinen Anlagen gekündigt und anschließend für die Ausführung dieser Dienstleistung einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen geschlossen hat, das eine Übernahme der Arbeitnehmer des ersten Unternehmens ablehnt, dann unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben” im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie fällt, wenn die für die Ausführung dieser Dienstleistung unabdingbare Ausrüstung vom zweiten Unternehmen übernommen wurde.
2. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der der Verlust eines Kunden seitens eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Vergabe der Dienstleistung an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer nicht unter den Begriff „Übergang von Unternehmen [oder] Betrieben” im Sinne dieses Art. 1 Abs. 1 fällt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) mit Entscheidung vom 4. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 12. April 2016, in dem Verfahren
Securitas – Serviços e Tecnologia de Segurança SA
gegen
ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA,
Arthur George Resendes u. a.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA, vertreten durch A. L. Santos, advogado,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und L. C. Oliveira als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. França und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Securitas – Serviços e Tecnologia de Segurança SA (im Folgenden: Securitas) auf der einen Seite und der ICTS Portugal – Consultadoria de Aviação Comercial SA (im Folgenden: ICTS) sowie Herrn Arthur George Resendes und 16 weiteren Personen in ihrer Eigenschaft als ehemalige Arbeitnehmer von ICTS auf der anderen Seite über die Weigerung von Securitas, anzuerkennen, dass die zwischen diesen Arbeitnehmern und ICTS bestehenden Arbeitsverhältnisse durch einen Unternehmensübergang auf sie übergegangen waren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 lautet:
„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.”
Rz. 4
Im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:
„Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz war es erforderlich, den juristischen Begriff des Übergangs unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu klären. Durch diese Klärung wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG gemäß der Auslegung durch den Gerichtshof nicht geändert.”
Rz. 5
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 bestimmt:
- „Diese Richtlin...