Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Aufträge. Richtlinie 2004/18/EG. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d. Dienstleistungen. Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit von Krankenhausanlagen. Vertrag zwischen zwei öffentlichen Einrichtungen, darunter einer Universität. Öffentliche Einrichtung, die als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden kann. Entgeltlicher Vertrag. Gegenleistung, die die getragenen Kosten nicht übersteigt

 

Beteiligte

Azienda Sanitaria Locale di Lecce

Azienda Sanitaria Locale di Lecce

Università del Salento

Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a

 

Tenor

Das Recht der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge steht einer nationalen Regelung entgegen, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit vereinbaren, wenn – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden öffentlichen Aufgabe zum Gegenstand hat, nicht nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, oder geeignet ist, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 9. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2011, in dem Verfahren

Azienda Sanitaria Locale di Lecce,

Università del Salento

gegen

Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, M. Ilešič, L. Bay Larsen und J. Malenovský, der Richter U. Lõhmus, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter J.-J. Kasel, M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Azienda Sanitaria Locale di Lecce, vertreten durch M. de Stasio und V. Pappalepore, avvocati,
  • der Università del Salento, vertreten durch E. Sticchi Damiani und S. Sticchi Damiani, avvocati,
  • des Consiglio Nazionale degli Ingegneri, vertreten durch P. Quinto, avvocato,
  • der Associazione delle Organizzazioni di Ingegneri, di Architettura e di Consultazione Tecnico-Economica (OICE) u. a., vertreten durch A. Clarizia und P. Clarizia, avvocati,
  • des Consiglio Nazionale degli Architetti, Pianificatori, Paesaggisti e Conservatori (CNAPPC), vertreten durch F. Sciaudone, M. Sanino, R. Sciaudone und A. Neri, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und M. Laszuk als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Petkovska, S. Johannesson und A. Falk als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Kružiková und C. Zadra als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. Mai 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d, Art. 2, Art. 28 sowie Anhang II Teil A Kategorien 8 und 12 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 der Kommission vom 4. Dezember 2007 (ABl. L 317, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/18).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Azienda Sanitaria Locale di Lecce (Örtlicher Sanitätsbetrieb Lecce, im Folgenden: ASL) und der Università del Salento (Universität des Salento, im Folgenden: Universität) gegen den Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce (Ingenieurskammer der Provinz Lecce) u. a. wegen eines Beratungsvertrags zwischen der ASL und der Universität über die Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit der Krankenhausanlagen der Provinz Lecce.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im [EG-]Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung,...

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