Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Staatliche Beihilfe. Begriff der ‚staatlichen Maßnahme oder Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel’. Strom aus Windkraftanlagen. Abnahmepflicht zu einem Preis über dem Marktpreis. Vollständiger Ausgleich. Von den Stromendverbrauchern geschuldete Abgaben
Beteiligte
Association Vent De Colère! Fédération nationale |
Ministre de l'Économie, des Finances et de l'Industrie |
Ministre de l'Écologie, du Développement durable, des Transports et du Logement |
Tenor
Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein Mechanismus, mit dem die Mehrkosten, die Unternehmen durch eine Abnahmepflicht für Strom aus Windkraftanlagen zu einem Preis über dem Marktpreis entstehen, vollständig ausgeglichen werden und dessen Finanzierung von allen im Inland wohnhaften Stromendverbrauchern getragen wird – so wie der Mechanismus aus dem Gesetz Nr. 2000-108 vom 10. Februar 2000 über die Modernisierung und Weiterentwicklung der öffentlichen Stromversorgung in der durch das Gesetz Nr. 2006-1537 vom 7. Dezember 2006 betreffend den Energiesektor geänderten Fassung – eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel darstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 15. Mai 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Mai 2012, in dem Verfahren
Association Vent De Colère! Fédération nationale,
Alain Bruguier,
Jean-Pierre Le Gorgeu,
Marie-Christine Piot,
Eric Errec,
Didier Wirth,
Daniel Steinbach,
Sabine Servan-Schreiber,
Philippe Rusch,
Pierre Recher,
Jean-Louis Moret,
Didier Jocteur Monrozier
gegen
Ministre de l'Écologie, du Développement durable, des Transports et du Logement,
Ministre de l'Économie, des Finances et de l'Industrie
Beteiligter:
Syndicat des énergies renouvelables
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Association Vent De Colère! Fédération nationale, vertreten durch A. Marlange und M. Le Berre, avocats,
- des Syndicat des énergies renouvelables, vertreten durch F. Thiriez und T. Lyon-Caen, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, J. Gstalter und J. Rossi als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch I. Pouli und K. Boskovits als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche, É. Gippini Fournier, K. Herrmann und P. Nemecková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 87 Abs. 1 EG (jetzt Art. 107 Abs. 1 AEUV).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Association Vent De Colère! Fédération nationale sowie elf natürlicher Personen gegen die Verordnung des Ministre de l'Écologie, de l'Énergie, du Développement durable et de l'Aménagement du territoire (Minister für Ökologie, Energie, nachhaltige Entwicklung und Raumordnung) vom 17. November 2008 zur Festlegung der Abnahmebedingungen für Strom aus Windkraftanlagen (JORF vom 13. Dezember 2008, S. 19032) und eine Verordnung der Ministre de l'Économie, de l'Industrie et de l'Emploi (Ministerin für Wirtschaft, Industrie und Arbeit) vom 23. Dezember 2008 zur Ergänzung der Verordnung vom 17. November 2008 (JORF vom 28. Dezember 2008, S. 20310) (im Folgenden: streitige Verordnungen).
Rechtlicher Rahmen
Französisches Recht
Rz. 3
Art. 5 der Loi n° 2000-108 du 10 février 2000 relative à la modernisation et au développement du service public de l'électricité (Gesetz Nr. 2000-108 vom 10. Februar 2000 über die Modernisierung und Weiterentwicklung der öffentlichen Stromversorgung, JORF vom 11. Februar 2000, S. 2143) in der durch die Loi n° 2006-1537 du 7 décembre 2006 relative au secteur de l'énergie (Gesetz Nr. 2006-1537 vom 7. Dezember 2006 betreffend den Energiesektor, JORF vom 8. Dezember 2006, S. 18531) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 2000-108) bestimmt:
„I. Die Belastungen, die den öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Stromversorger zuzurechnen sind, werden vollständig ausgeglichen. Dazu gehören
a) bei der Stromerzeugung:
1. die sich gegebenenfalls aus der Durchführung der Art. 8 und 10 ergebenden Mehrkosten, die sich die Électricité de France [SA (EDF), im Folgenden: Électricité de France] oder gegebenenfalls die betroffenen in Art. 23 der Loi no. 46-628 du 8 avril 1946 sur la nationalisation de l'électri...