Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Verbraucherschutz. Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Begriff ‚irreführende Handlung’. Kumulativer Charakter der in der betreffenden Bestimmung genannten Voraussetzungen

 

Normenkette

Richtlinie 2005/29/EG Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

Trento Sviluppo und Centrale Adriatica

Trento Sviluppo srl

Centrale Adriatica Soc. coop. arl

Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

 

Tenor

Eine Geschäftspraxis ist als „irreführend” im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) einzustufen, wenn diese Praxis zum einen falsche Angaben enthält oder den Durchschnittsverbraucher zu täuschen geeignet ist und zum anderen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Art. 2 Buchst. k dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff „geschäftliche Entscheidung” sämtliche Entscheidungen erfasst, die mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2012, in dem Verfahren

Trento Sviluppo srl,

Centrale Adriatica Soc. coop. arl

gegen

Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet (Berichterstatter), des Richters E. Levits und der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Trento Sviluppo srl und der Centrale Adriatica Soc. coop. arl, vertreten durch M. Pacilio, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone und P. Garofoli, avvocati dello Stato,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und V. Kazlauskaitė-Š;venčionienė als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und M. van Beek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22, mit Berichtigung im ABl. 2009, L 253, S. 18).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Trento Sviluppo srl (im Folgenden: Trento Sviluppo) und der Centrale Adriatica Soc. coop. arl (im Folgenden: Centrale Adriatica) auf der einen und der Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Wettbewerbs- und Kartellbehörde, im Folgenden: AGCM) auf der anderen Seite über eine von der AGCM als „irreführend” eingestufte Geschäftspraxis der beiden Gesellschaften.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 bezieht diese sich insbesondere auf Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen.

Rz. 4

Gemäß dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie stellt sie ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen.

Rz. 5

Im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:

„… Das durch diese Richtlinie eingeführte einzige, gemeinsame generelle Verbot umfasst daher unlautere Geschäftspraktiken, die das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher beeinträchtigen. … Das generelle Verbot wird durch Regeln über die beiden bei weitem am meisten verbreiteten Arten von Geschäftspraktiken konkretisiert, nämlich die irreführenden und die aggressiven Geschäftspraktiken.”

Rz. 6

Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:

„Es ist wünschenswert, dass der Begriff der irreführenden Praktiken auch Praktik...

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