Entscheidungsstichwort (Thema)

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung einheitlicher Visa. Verpflichtung zur Erteilung eines Visums. Bewertung des Risikos der rechtswidrigen Einwanderung. Absicht des Antragstellers, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums zu verlassen. Begründeter Zweifel. Wertungsspielraum der zuständigen Behörden

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 810/2009 Art. 21 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1, Art. 35 Abs. 6

 

Beteiligte

Koushkaki

Rahmanian Koushkaki

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Art. 23 Abs. 4, Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) sind dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats nach Abschluss der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum einem Antragsteller nur dann ein einheitliches Visum verweigern dürfen, wenn ihm einer der in diesen Bestimmungen aufgezählten Gründe für die Verweigerung des Visums entgegengehalten werden kann. Die betreffenden Behörden verfügen bei der Prüfung dieses Antrags über einen weiten Beurteilungsspielraum, der sich sowohl auf die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschriften als auch auf die Würdigung der Tatsachen bezieht, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob dem Antragsteller einer dieser Verweigerungsgründe entgegengehalten werden kann.

2. Art. 32 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 810/2009 ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, ein einheitliches Visum zu erteilen, voraussetzt, dass in Anbetracht der allgemeinen Verhältnisse im Wohnsitzstaat des Antragstellers und seiner persönlichen Umstände, die anhand seiner Angaben festgestellt worden sind, keine begründeten Zweifel an der Absicht des Antragstellers bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums zu verlassen.

3. Die Verordnung Nr. 810/2009 ist dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nicht entgegensteht, wonach die zuständigen Behörden, wenn die in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen für die Erteilung eines einheitlichen Visums erfüllt sind, befugt sind, dem Antragsteller ein solches Visum zu erteilen, ohne ausdrücklich dazu verpflichtet zu sein, sofern eine solche Bestimmung in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 4, Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 6 dieser Verordnung ausgelegt werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2012, in dem Verfahren

Rahmanian Koushkaki

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen (Berichterstatter), T. von Danwitz, E. Juhász, A. Borg Barthet, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter A. Rosas, G. Arestis, J. Malenovský, A. Arabadjiev, E. Jarašiūnas und C. Vajda,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Koushkaki, vertreten durch Rechtsanwältin T. Kaschubs-Saeedi,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang und M. Wolff als Bevollmächtigte,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch K. Pawłowska und M. Arciszewski als Bevollmächtigte,
  • der Schweizer Regierung, vertreten durch D. Klingele als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. April 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) (ABl. L 243, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Koushkaki, einem iranischen Staatsangehörigen, und der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Bescheids der zuständigen deu...

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