Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gewerbliches und kommerzielles Eigentum. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Schutzdauer. Kein Wiederaufleben des Schutzes durch die Berner Übereinkunft

 

Normenkette

EWGRL 98/93 Art. 10 Abs. 2

 

Beteiligte

Montis Design

Montis Design BV

Goossens Meubelen BV

 

Tenor

Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte ist in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass die in dieser Richtlinie vorgesehene Schutzdauer auf Urheberrechte, die ursprünglich nach nationalen Rechtsvorschriften geschützt waren, aber vor dem 1. Juli 1995 erloschen sind, keine Anwendung findet.

Die Richtlinie 93/98 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, nach der, wie im Ausgangsfall, ein Werk ursprünglich urheberrechtlichen Schutz genoss, das Urheberrecht dann aber vor dem 1. Juli 1995 wegen Nichterfüllung eines Formerfordernisses endgültig erloschen ist, nicht entgegensteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Benelux Gerechtshof (Benelux-Gerichtshof) mit Entscheidung vom 27. März 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2015, in dem Verfahren

Montis Design BV

gegen

Goossens Meubelen BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Montis Design BV, vertreten durch F. Berndsen und C. Van Vlockhoven, advocaten,
  • der Goossens Meubelen BV, vertreten durch M. Scheltema, S. Kingma und P. Lodestijn, advocaten,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und T. Rendas als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Loewenthal und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Mai 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. 1993, L 290, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Montis Design BV (im Folgenden: Montis) und der Goossens Meubelen BV (im Folgenden: Goossens) über deren mögliche Verletzung des Urheberrechts von Montis an den Modellen der Sitzmöbel „Charly” und „Chaplin”.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Berner Übereinkunft

Rz. 3

Art. 5 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Akte vom 24. Juli 1971) in der am 28. Juli 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) bestimmt:

„Der Genuss und die Ausübung dieser Rechte sind nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden; dieser Genuss und diese Ausübung sind unabhängig vom Bestehen des Schutzes im Ursprungsland des Werkes. Infolgedessen richten sich der Umfang des Schutzes sowie die dem Urheber zur Wahrung seiner Rechte zustehenden Rechtsbehelfe ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, soweit diese Übereinkunft nichts anderes bestimmt.”

WTO-Übereinkommen und TRIPS-Übereinkommen

Rz. 4

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen) wurde am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet. Dieses Übereinkommen, das in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO-Übereinkommen) enthalten ist, wurde mit Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt (ABl. 1994, L 336, S. 1).

Rz. 5

Das WTO-Übereinkommen und das TRIPS-Übereinkommen sind am 1. Januar 1995 in Kraft getreten. Nach Art. 65 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens ist jedoch kein Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) verpflichtet, dieses Übereinkommen vor Ablauf einer allgemeinen Frist von einem Jahr nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des WTO-Übereinkommens, also vor dem 1. Januar 1996, anzuwenden.

Rz. 6

Art. 9 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens bestimmt:

„Die Mitglieder [der WTO] befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft (1971) und den Anhang dazu. …”

Unionsrecht

Richtlinie 93/98

Rz. 7

Der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/98 lautete:

„Die Wahrung erworbener Rechte und die Berücksichtigung berechtigter Erwartungen sind Bestandteil der gemeinschaftlichen Rechtsordnung. Die Mitgliedstaaten soll...

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