Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats. Recht des Kindes eines türkischen Arbeitnehmers, sich im Aufnahmemitgliedstaat, in dem es eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, auf jedes Stellenangebot zu bewerben. Beginn der Berufsausbildung nach dem endgültigen Wegzug der Eltern aus diesem Mitgliedstaat”

 

Beteiligte

Bekleyen

Ümit Bekleyen

Land Berlin

 

Tenor

Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrat erlassen wurde, ist dahin auszulegen, dass sich das Kind eines türkischen Arbeitnehmers, der im Aufnahmemitgliedstaat länger als drei Jahre ordnungsgemäß beschäftigt war, in diesem Mitgliedstaat nach Abschluss seiner Berufsausbildung in diesem Staat auch dann auf das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und das entsprechende Aufenthaltsrecht berufen kann, wenn es, nachdem es mit seinen Eltern in den Herkunftsstaat zurückgekehrt war, allein in den betreffenden Mitgliedstaat zurückkehrte, um dort seine Ausbildung aufzunehmen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2008, in dem Verfahren

Ümit Bekleyen

gegen

Land Berlin

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Bekleyen, vertreten durch Rechtsanwalt C. Rosenkranz,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Bering Liisberg und R. Holdgaard als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80). Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichtet, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Bekleyen, einer türkischen Staatsangehörigen, und dem Land Berlin wegen dessen Entscheidung, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu verweigern.

Rechtlicher Rahmen

Die Assoziation EWG-Türkei

Rz. 3

Art. 59 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls lautet:

„In den von diesem Protokoll erfassten Bereichen darf der Türkei keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen.”

Rz. 4

Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 bestimmt:

„Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

  • nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
  • nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung – vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs – das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
  • nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.”

Rz. 5

Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 lautet:

„Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

  • haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten de...

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