Entscheidungsstichwort (Thema)
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten. Unter Anhang II fallende Projekte. Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens. Prüfung anhand von Schwellenwerten oder Kriterien. Auswahlkriterien. Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte
Normenkette
Richtlinie 85/337/EWG Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2-3
Beteiligte
Salzburger Flughafen GmbH |
Tenor
1. Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 3 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 geänderten Fassung stehen einer nationalen Regelung entgegen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur eines Flughafens, die unter Anhang II dieser Richtlinie fallen, ausschließlich davon abhängig macht, dass durch diese Projekte eine Erhöhung der Anzahl der Flugbewegungen um mindestens 20 000 pro Jahr zu erwarten ist.
2. Legt ein Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 97/11 geänderten Fassung für Projekte im Sinne ihres Anhangs II einen mit den Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie unvereinbaren Schwellenwert wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden fest, haben die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 1 sowie von Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 der Richtlinie unmittelbare Wirkung, so dass die zuständigen nationalen Behörden sicherstellen müssen, dass zunächst geprüft wird, ob die betreffenden Projekte möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und, wenn ja, sodann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 19. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Mai 2012, in dem Verfahren
Salzburger Flughafen GmbH
gegen
Umweltsenat,
mitbeteiligte Partei:
Landesumweltanwaltschaft Salzburg,
weitere Partei:
Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Salzburger Flughafen GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Lebitsch,
- der Landesumweltanwaltschaft Salzburg, vertreten durch W. Wiener, Landesumweltanwalt,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver und D. Düsterhaus als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Salzburger Flughafen GmbH und dem Umweltsenat wegen der Verpflichtung, bestimmte Projekte zur Erweiterung der Infrastruktur des Flughafens Salzburg (Österreich) einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 1 der Richtlinie 85/337 ist bestimmt:
„(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.
(2) Im Sinne dieser Richtlinie sind:
Projekt:
- die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,
- sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen;
…”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 lautet:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.”
Rz. 5
Art. 3 der Richtlinie 85/337 lautet:
„Die Umweltverträglichkeitsprüfung identifiziert, beschreibt und bewertet in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls gemäß den Artikeln 4 bis 11 die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf folgende Faktoren:
- Mensch, Fauna und Flora,
- Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
- Sachgüter und kulturelles Erbe,
- die Wechselwirkung zwischen den unter dem ersten, dem zweiten und dem dritt...