Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verarbeitung personenbezogener Daten. Fluggastdatensätze (PNR). Anwendungsbereich. Verwendung von PNR-Daten der Fluggäste von Flügen zwischen der Union und Drittstaaten. Befugnis zur Einbeziehung von Daten der Fluggäste von Flügen innerhalb der Union. Automatisierte Verarbeitungen dieser Daten. Speicherfrist. Bekämpfung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität. Gültigkeit. Nationale Rechtsvorschriften, mit denen die Anwendung des PNR-Systems auf andere Beförderungen innerhalb der Union ausgedehnt wird. Freizügigkeit innerhalb der Union
Normenkette
EUVO 679/2016 Art. 2 Abs. 2 Buchst. d; Richtlinie (EU) 2016/681; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 7-8, 21, 52 Abs. 1, Art. 45
Beteiligte
Tenor
1. Art. 2 Abs. 2 Buchst. d und Art. 23 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sind dahin auszulegen, dass diese Verordnung für die Verarbeitung personenbezogener Daten gilt, die in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, mit denen die Bestimmungen sowohl der Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln, als auch der Richtlinie 2010/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen in und/oder Auslaufen aus Häfen der Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/6/EG und der Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität in Bezug auf die Verarbeitung von Daten durch private Wirtschaftsteilnehmer sowie in Bezug auf die nur oder auch unter die Richtlinie 2004/82 oder die Richtlinie 2010/65 fallende Verarbeitung von Daten durch Behörden in innerstaatliches Recht umgesetzt werden sollen. Die Verordnung gilt hingegen nicht für die in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene, nur unter die Richtlinie 2016/681 fallende Verarbeitung von Daten durch die PNR-Zentralstelle oder die zuständigen Behörden zu den in Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Zwecken.
2. Da eine Auslegung der Richtlinie 2016/681 im Licht der Art. 7, 8 und 21 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union die Vereinbarkeit dieser Richtlinie mit den genannten Artikeln der Charta der Grundrechte gewährleistet, hat die Prüfung der Fragen 2 bis 4 und 6 nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie berühren könnte.
3. Art. 6 der Richtlinie 2016/681 ist im Licht der Art. 7 und 8 sowie von Art. 52 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten), die im Einklang mit dieser Richtlinie erhoben wurden, zu anderen als den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich genannten Zwecken zulässig ist.
4. Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2016/681 ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen die als PNR-Zentralstelle errichtete Behörde zugleich die für die Genehmigung der Offenlegung der PNR-Daten nach Ablauf der Frist von sechs Monaten ab ihrer Übermittlung an die PNR-Zentralstelle zuständige nationale Behörde ist.
5. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2016/681 in Verbindung mit den Art. 7 und 8 sowie mit Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die eine allgemeine Speicherfrist der PNR-Daten von fünf Jahren vorsehen, die unterschiedslos für alle Fluggäste gilt, einschließlich derjenigen, bei denen weder die Vorabüberprüfung nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2016/681 noch etwaige Überprüfungen während des in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie genannten Zeitraums von sechs Monaten oder irgendein anderer Umstand objektive Anhaltspunkte geliefert haben, die eine Gefahr im Bereich terroristischer Straftaten oder schwerer Kriminalität mit einem – zumindest mittelbaren – objektiven Zusammenhang mit der Reise der Fluggäste belegen können.
6. Die Richtlinie 2004/82 ist dahin auszulegen, dass sie nicht für Linien- oder Gelegenheitsflüge einer Fluggesellschaft, die vom Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aus starten und das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zum Ziel haben, ohne Zwischenlandungen im Hoheitsgebiet eines Drittstaats (EU-Flüge), gilt.
7. Das Unionsrecht, insbesondere Art. 2 der Richtlinie 2016/681, ist im Licht von Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 45 der Charta der Grundrechte wie folgt auszulegen: