Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Zwangsweise Versetzung von Staatsanwälten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs. Legitime Ziele, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen. Kohärenz der Rechtsvorschriften
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einem Gesetz wie dem Hessischen Beamtengesetz in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 2009, das die zwangsweise Versetzung von Beamten auf Lebenszeit, im vorliegenden Fall Staatsanwälten, in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsieht, wobei sie höchstens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterarbeiten dürfen, wenn es im dienstlichen Interesse liegt, nicht entgegen, sofern dieses Gesetz zum Ziel hat, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und die Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen, und es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenen und erforderlichen Mitteln ermöglicht.
2. Die Angemessenheit und Erforderlichkeit der fraglichen Maßnahme ist nachgewiesen, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel nicht unvernünftig erscheint und auf Beweismittel gestützt ist, deren Beweiskraft das nationale Gericht zu beurteilen hat.
3. Ein Gesetz wie das Hessische Beamtengesetz in der Fassung des Gesetzes vom 14. Dezember 2009, das den zwangsweisen Übertritt von Staatsanwälten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorsieht, ist nicht allein deshalb inkohärent, weil es ihnen in bestimmten Fällen erlaubt, bis zum vollendeten 68. Lebensjahr weiterzuarbeiten, es außerdem Bestimmungen enthält, die den Übertritt in den Ruhestand vor Vollendung des 65. Lebensjahrs erschweren sollen, und andere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats das Verbleiben im Dienst von bestimmten Beamten, insbesondere bestimmten Wahlbeamten, über dieses Alter hinaus vorsehen und das Ruhestandsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre anheben
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidungen vom 29. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2010, in den Verfahren
Gerhard Fuchs (C-159/10),
Peter Köhler (C-160/10)
gegen
Land Hessen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Landes Hessen, vertreten durch Rechtsanwalt M. Deutsch,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan und B. Doherty als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und J. Enegren als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Fuchs und Herrn Köhler einerseits und dem Land Hessen andererseits wegen ihrer Versetzung in den Ruhestand im Alter von 65 Jahren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 8, 9 und 11 der Richtlinie 2000/78 lauten:
„(8) In den vom Europäischen Rat auf seiner Tagung am 10. und 11. Dezember 1999 in Helsinki vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2000 wird die Notwendigkeit unterstrichen, einen Arbeitsmarkt zu schaffen, der die soziale Eingliederung fördert, indem ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen getroffen wird, die darauf abstellen, die Diskriminierung von benachteiligten Gruppen, wie den Menschen mit Behinderung, zu bekämpfen. Ferner wird betont, dass der Unterstützung älterer Arbeitnehmer mit dem Ziel der Erhöhung ihres Anteils an der Erwerbsbevölkerung besondere Aufmerksamkeit gebührt.
(9) Beschäftigung und Beruf sind Bereiche, die für die Gewährleistung gleicher Chancen für alle und für eine volle Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie für die individuelle Entfaltung von entscheidender Bedeutung sind.
…
(11) Diskriminierun...