Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls. Stillhalteklausel. Niederlassungsfreiheit. Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines türkischen Staatsangehörigen, der unter Verstoß gegen die in der Aufenthaltserlaubnis festgesetzten Auflagen eine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat. Rechtsmissbrauch

 

Beteiligte

Oguz

Tural Oguz

Secretary of State for the Home Department

 

Tenor

Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde, ist dahin gehend auszulegen, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger, dessen Aufenthaltserlaubnis in einem Mitgliedstaat unter der Auflage steht, dass ihm eine selbständige Erwerbstätigkeit untersagt ist, der aber trotzdem unter Verstoß gegen diese Auflage eine selbständige Tätigkeit aufnimmt und anschließend bei den nationalen Behörden eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der von ihm zwischenzeitlich aufgenommenen Geschäftstätigkeit beantragt, auf diese Vorschrift berufen kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 31. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. April 2010, in dem Verfahren

Tural Oguz

gegen

Secretary of State for the Home Department,

Beteiligter:

Centre for Advice on Individual Rights in Europe,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Oguz, vertreten durch J. Walsh und P. Haywood, Barristers,
  • des Centre for Advice on Individual Rights in Europe, vertreten durch S. Cox und C. Banner, Barristers, sowie durch L. Barratt, Solicitor,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von R. Palmer, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Paasivirta und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. April 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, das am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichnet und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde (im Folgenden: Zusatzprotokoll).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Oguz, einem türkischen Staatsangehörigen, und dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister, im Folgenden: Secretary of State) wegen dessen Entscheidung, die Aufenthaltserlaubnis des Betroffenen im Vereinigten Königreich in seiner Eigenschaft als Selbständiger nicht zu verlängern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Assoziierung EWG-Türkei

Rz. 3

Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, das von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde (ABl. 1964, 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen EWG-Türkei), hat nach seinem Art. 2 Abs. 1 zum Ziel, durch die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowie die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, auch im Bereich der Arbeitnehmer, zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um die Lebensbedingungen des türkischen Volkes zu verbessern und später den Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft zu erleichtern.

Rz. 4

Das Zusatzprotokoll, das nach seinem Art. 62 Bestandteil des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei ist, legt entsprechend seinem Art. 1 die Bedingungen, die Einzelheiten und den Zeitplan für die Verwirklichung der in Art. 4 dieses Abkommens vorgesehenen Übergangsphase fest.

Rz. 5

Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält eine Stillhalteklausel mit folgendem Wortlaut:

„Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.”

Nationales Recht

Rz. 6

Das Zuwanderungsgesetz von 1971 (Immigration Act 1971) bestimmt:

„…

3. Allgemeine Bestimmungen über Regelung und Kontrolle

(1) Sofern in diesem Gesetz ni...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge