Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung. Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Aufgaben eines Schöffen in einem Strafverfahren. An Blindheit leidende Person. Vollständiger Ausschluss von der Teilnahme an Strafsachen
Normenkette
Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21, 26; Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1, Art. 5
Beteiligte
Komisia za zashtita ot diskriminatsia |
Komisia za zashtita ot diskriminatsia |
Tenor
Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist im Licht der Art. 21 und 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie des durch den Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass eine an Blindheit leidende Person von jeder Möglichkeit ausgeschlossen wird, die Aufgaben eines Schöffen in einem Strafverfahren auszuüben.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 12. November 2019, in dem Verfahren
TC,
UB
gegen
Komisia za zashtita ot diskriminatsia,
VA,
Beteiligte:
Varhovna administrativna prokuratura,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Ersten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter), P. G. Xuereb und A. Kumin,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von VA, die sich selbst vertritt,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, A. Pimenta, M. J. Marques und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und N. Nikolova als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. April 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das durch den Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 (ABl. 2010, L 23, S. 35, im Folgenden: VN-Übereinkommen) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, sowie von Art. 2 Abs. 1 bis 3 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen TC und UB auf der einen und der Komisia za zashtita ot diskriminatsia (Kommission für den Schutz vor Diskriminierung, Bulgarien) und VA auf der anderen Seite wegen der Entscheidung dieser Kommission, gegen TC als Präsident eines Gerichts und UB als Richterin einer Strafkammer Geldbußen wegen Diskriminierung von VA, einer Schöffin dieser Strafkammer, zu verhängen.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 1 des VN-Übereinkommens lautet:
„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.
Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.”
Rz. 4
Art. 5 („Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung”) des VN-Übereinkommens bestimmt:
„(1) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben.
(2) Die Vertragsstaaten verbieten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen.
(3) Zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierung unternehmen die Vertragsstaaten alle geeigneten Schritte, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten.
(4) Besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herb...