Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Nachprüfungsverfahren im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge. Rechtsschutzinteresse. Begriff „betroffener Bieter”. Recht eines vom öffentlichen Auftraggeber rechtskräftig ausgeschlossenen Bieters, einen Antrag auf Nachprüfung der späteren Zuschlagsentscheidung für den Auftrag zu stellen
Normenkette
Richtlinie 89/665/EWG Art. 1 Abs. 3, Art. 2a Abs. 2
Beteiligte
Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich |
Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung GesmbH und Caverion Österreich GmbH |
Universität für Bodenkultur Wien |
VAMED Management und Service GmbH & Co. KG in Wien |
Tenor
Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass einem Bieter, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, in einem Fall, in dem nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juli 2015, in dem Verfahren
Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung GesmbH und Caverion Österreich GmbH
gegen
Universität für Bodenkultur Wien,
VAMED Management und Service GmbH & Co. KG in Wien
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung GesmbH und Caverion Österreich GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Schramm,
- der Universität für Bodenkultur Wien, vertreten durch Rechtsanwalt O. Sturm,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und A. Tokár als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bietergemeinschaft Technische Gebäudebetreuung GesmbH und Caverion Österreich GmbH (im Folgenden gemeinsam: Bietergemeinschaft) einerseits und der Universität für Bodenkultur Wien (Österreich, im Folgenden: BOKU Wien) andererseits wegen des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung über öffentliche Dienstleistungsaufträge zwischen der BOKU Wien und der VAMED Management und Service GmbH & Co. KG in Wien (im Folgenden: Vamed).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 89/665
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3, 4, 6, 8, 18, 25 und 27 der Richtlinie 2007/66, mit der die Richtlinie 89/665 geändert wurde, heißt es:
„(3) Die Anhörung der Beteiligten wie auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs haben bei den gegenwärtigen Nachprüfungsverfahren in den Mitgliedstaaten einige Schwachstellen aufgedeckt. Aufgrund dieser Schwachstellen können die Verfahren [insbesondere der Richtlinie 89/665] die Beachtung der Gemeinschaftsvorschriften nicht immer gewährleisten und insbesondere nicht in einem Stadium, in dem Verstöße noch beseitigt werden könnten. …
(4) Zu den ermittelten Schwächen zählt insbesondere das Fehlen einer Frist, die eine wirksame Nachprüfung zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem Abschluss des betreffenden Vertrags ermöglicht. Das führt zuweilen dazu, dass öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber sehr rasch die Vertragsunterzeichnung vornehmen, um...