Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit. Freier Dienstleistungsverkehr. Glücksspiele. Nationale Regelung. Neuordnung des Konzessionierungssystems durch eine Anpassung der Zeitpunkte, zu denen die Konzessionen ablaufen. Neue Ausschreibung. Verkürzung der Laufzeit der Konzessionen gegenüber der Laufzeit früher erteilter Konzessionen. Beschränkung. Zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
AEUV Art. 49, 56
Beteiligte
Stanley International Betting und Stanleybet Malta |
Stanley International Betting Ltd |
Ministero dell'Economia e delle Finanze |
Agenzia delle Dogane e dei Monopoli di Stato |
Tenor
Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die aufgrund einer Neuordnung des Konzessionierungssystems durch eine Anpassung der Zeitpunkte, zu denen die Konzessionen ablaufen, die Durchführung einer neuen Ausschreibung zur Vergabe von Konzessionen mit gegenüber der Laufzeit früher erteilter Konzessionen verkürzter Laufzeit vorsieht, nicht entgegenstehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 2. Juli 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 23. August 2013, in dem Verfahren
Stanley International Betting Ltd,
Stanleybet Malta Ltd
gegen
Ministero dell'Economia e delle Finanze,
Agenzia delle Dogane e dei Monopoli di Stato,
Beteiligte:
Intralot Italia SpA,
SNAI SpA,
Galassia Game Srl,
Eurobet Italia Srl unipersonale,
Lottomatica Scommesse Srl,
Sisal Match Point SpA,
Cogetech Gaming Srl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Stanley International Betting Ltd, vertreten durch D. Agnello, und M. Mura, avvocati,
- der Stanleybet Malta Ltd, vertreten durch F. Ferraro, R. A. Jacchia, A. Terranova und D. Agnello, avvocati,
- der SNAI SpA, vertreten durch A. Fratini und F. Filpo, avvocati,
- der Lottomatica Scommesse Srl, vertreten durch A. Vergerio di Cesana, C. Benelli und G. Fraccastoro, avvocati,
- der Sisal Match Point Spa, vertreten durch Mes L. Medugno, A. Auteri, G. Fraccastoro und F. Vetrò, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato, und I. Volpe, esperto,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, advocaat,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV und 56 AEUV sowie der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stanley International Betting Ltd (im Folgenden: Stanley International Betting) und der Stanleybet Malta Ltd (im Folgenden: Stanleybet Malta) auf der einen und dem Ministero dell'Economia e delle Finanze und der Agenzia delle Dogane e dei Monopoli di Stato auf der anderen Seite über die Durchführung einer neuen Ausschreibung zur Vergabe von Konzessionen mit gegenüber der Laufzeit früher erteilter Konzessionen kürzerer Laufzeit.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die italienische Regelung sieht im Wesentlichen vor, dass die Teilnahme an der Veranstaltung von Glücksspielen einschließlich der Annahme von Wetten den Erhalt einer Konzession und einer polizeilichen Genehmigung voraussetzt.
Rz. 4
Bis zur Änderung der Rechtsvorschriften im Laufe des Jahres 2002 durfte Wirtschaftsteilnehmern mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, keine Glücksspielkonzession erteilt werden. Diese Wirtschaftsteilnehmer waren daher von den im Laufe des Jahres 1999 durchgeführten Ausschreibungen zur Vergabe von Konzessionen ausgeschlossen. Die Rechtswidrigkeit dieses Ausschlusses im Hinblick auf die Art. 43 EG und 49 EG wurde insbesondere im Urteil Placanica u. a. (C-338/04, C-359/04 und C-360/04, EU:C:2007:133) festgestellt.
Rz. 5
Durch das Decreto-legge Nr. 223 vom 4. Juli 2006 über Sofortmaßnahmen für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufschwung und die Eindämmung und Begrenzung der öffentlichen Ausgaben sowie mit Maßnahmen im Bereich der Steuereinnahmen un...