Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Luftqualität. PM10-Konzentrationen in der Luft. Überschreitung der Grenzwerte in bestimmten Gebieten und Ballungsräumen. Luftqualitätspläne. ‚So kurz wie möglich’ gehaltener Zeitraum der Nichteinhaltung. Keine geeigneten Maßnahmen in den Programmen zum Schutz der Luftqualität. Nicht ordnungsgemäße Umsetzung
Normenkette
Richtlinie 2008/50/EG Art. 13 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Art. 22 Abs. 3
Beteiligte
Tenor
1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie und aus Art. 22 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang XI dieser Richtlinie verstoßen, dass
- seit 2007 und bis einschließlich 2015 in 35 Gebieten zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität die Tagesgrenzwerte für PM10-Partikel-Konzentrationen und in neun Gebieten zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität die Jahresgrenzwerte für PM10-Partikel-Konzentrationen überschritten worden sind,
- in die Luftqualitätspläne keine geeigneten Maßnahmen aufgenommen worden sind, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10-Partikel-Konzentrationen in der Luft so kurz wie möglich zu halten,
- die Tagesgrenzwerte für PM10-Partikel-Konzentrationen in der Luft zuzüglich der Toleranzmarge vom 1. Januar 2010 bis zum 10. Juni 2011 in den Gebieten Stadt Radom, Pruszków-żyrardów und Kędzierzyn-Koźle sowie vom 1. Januar 2011 bis zum 10. Juni 2011 im Gebiet Ostrów-Kępno überschritten worden sind und
- Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist.
2. Die Republik Polen trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 15. Juni 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann, K. Petersen und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, D. Krawczyk und K. Majcher als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2017,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang XI, Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 22 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) verstoßen hat, dass
- seit 2007 und bis mindestens 2013 in 35 Gebieten zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität die Tagesgrenzwerte für PM10-Partikel (im Folgenden: PM10) und in neun Gebieten zur Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität die Jahresgrenzwerte für PM10 überschritten und keine Informationen vorgelegt worden sind, aus denen sich ergibt, dass sich diese Situation gebessert hat,
- in die Luftqualitätspläne keine geeigneten Maßnahmen aufgenommen worden sind, um den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für PM10 in der Luft so kurz wie möglich zu halten,
- die Tagesgrenzwerte zuzüglich der Toleranzmarge vom 1. Januar 2010 bis zum 10. Juni 2011 in den Gebieten 14.17 – Stadt Radom, 14.18 – Pruszków-żyrardów und 16.5 – Kędzierzyn-Koźle sowie vom 1. Januar 2011 bis zum 10. Juni 2011 im Gebiet 30.3 – Ostrów-Kępno überschritten worden sind und
- Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50 nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 96/62/EG
Rz. 2
Die Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. 1996, L 296, S. 55) bestimmte in ihrem Art. 7 „Verbesserung der Luftqualität – Allgemeine Anforderungen”):
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen.
…
(3) Die Mitgliedstaaten erstellen Aktionspläne, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken. Diese Pläne können, je nach Fall, Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorsehen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte beitragen, einschließlich des Kraftfahrzeugverkehrs.”
Rz. 3
Art. 11 der Richtlinie 96/62 sah vor, ...