Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Insolvenzverfahren. Recht, das für das Insolvenzverfahren gilt. Recht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird. Rechtshandlungen, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Ausnahme. Voraussetzungen. Rechtshandlung, für die das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staats der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist. Rechtshandlung, die nach diesem Recht nicht angreifbar ist. Auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht. Geltungsbereich des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts. Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten. Zahlung, die in Erfüllung eines Vertrags erfolgt, der dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staats der Verfahrenseröffnung unterliegt. Erfüllung durch einen Dritten. Klage auf Rückgewähr dieser Zahlung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Auf diese Zahlung anzuwendendes Recht
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 Art. 4, 13; Verordnung (EG) Nr. 593/2008 Art. 12 Abs. 1 Buchst. b
Beteiligte
Oeltrans Befrachtungsgesellschaft |
Nachgehend
Tenor
Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren und Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) sind dahin auszulegen, dass das nach der letztgenannten Verordnung auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch für die Zahlung maßgeblich ist, die ein Dritter zur Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtung einer Vertragspartei leistet, wenn diese Zahlung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als Handlung, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligt, angefochten wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2020, in dem Verfahren
ZM als Insolvenzverwalter der Oeltrans Befrachtungsgesellschaft mbH
gegen
E. A. Frerichs
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters M. Safjan,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von ZM als Insolvenzverwalter der Oeltrans Befrachtungsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Froehner,
- von E. A. Frerichs, vertreten durch J. van Zuethem, advocaat,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Barros da Costa, L. Medeiros und S. Duarte Afonso als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und H. Leupold als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1) und Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ZM als Insolvenzverwalter der Oeltrans Befrachtungsgesellschaft mbH und E. A. Frerichs über die Rückgewähr eines Betrags durch Letzteren, den Oeltrans Befrachtungsgesellschaft aufgrund eines Vertrags zwischen E. A. Frerichs und einer zur Oeltrans-Gruppe gehörenden Gesellschaft an E. A. Frerichs gezahlt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1346/2000
Rz. 3
Die Verordnung Nr. 1346/2000 wurde durch die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. 2015, L 141, S. 19) aufgehoben. Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt war die Verordnung Nr. 1346/2000 jedoch anwendbar.
Rz. 4
Die Erwägungsgründe 23 und 24 der Verordnung Nr. 1346/2000 lauten:
„(23) Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sollte das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Diese Kollisionsnorm sollte für Hauptinsolvenzverfahren und Partikularverfahren gleichermaßen gelten. Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse; nach ihr bestimmen sich alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens.
(24) Die automatische Anerkennu...