Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Arbeitszeitgestaltung. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Zusammensetzung des Arbeitsentgelts. Grundgehalt und monatliche Provision nach Maßgabe des erzielten Umsatzes
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG
Beteiligte
British Gas Trading Limited |
Tenor
1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen und Praktiken entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt sich aus einem Grundgehalt und einer Provision zusammensetzt, deren Höhe sich nach den Verträgen bemisst, die vom Arbeitgeber aufgrund der vom Arbeitnehmer getätigten Verkäufe geschlossen wurden, hinsichtlich seines bezahlten Jahresurlaubs nur Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat, das ausschließlich aus seinem Grundgehalt besteht.
2. Die Methoden der Berechnung der Provision, auf die ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens hinsichtlich seines Jahresurlaubs Anspruch hat, sind vom nationalen Gericht anhand der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Regeln und Kriterien und im Licht des mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verfolgten Ziels zu beurteilen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Employment Tribunal Leicester (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 16. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 26. November 2012, in dem Verfahren
Z. J. R. Lock
gegen
British Gas Trading Limited
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Lock, vertreten durch M. Ford, Barrister, und S. Cheetham, BL, instruiert durch C. Belich, Solicitor,
- der British Gas Trading Limited, vertreten durch J. Cavanagh, Barrister, und S. Rice-Birchall, advocate,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von S. Lee, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Dezember 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Lock und seinem Arbeitgeber, der British Gas Trading Limited (im Folgenden: British Gas), über das während seines bezahlten Jahresurlaubs bezogene Arbeitsentgelt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 7 („Jahresurlaub”) der Richtlinie 2003/88 lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.”
Recht des Vereinigten Königreichs
Rz. 4
Die Arbeitszeitverordnung von 1998 (Working Time Regulations 1998) bestimmt:
„Section 16 – Entgelt hinsichtlich Zeitabschnitten des Urlaubs
(1) Ein Arbeitnehmer hat hinsichtlich jedes Zeitabschnitts des Jahresurlaubs, auf den er … Anspruch hat, Anspruch auf ein Entgelt in Höhe eines Wochenlohns für jede Urlaubswoche.
(2) Bei der Bestimmung der Höhe des Wochenlohns im Sinne dieser Regulation finden die Sections 221 bis 224 des Gesetzes von 1996 [über Arbeitnehmerrechte (Employment Rights Act 1996)] Anwendung.”
Rz. 5
Dieses Gesetz von 1996 bestimmt in Section 221:
„221. – Allgemeines
(1) Diese Section [findet] Anwendung, soweit für einen Arbeitnehmer in einem zum Berechnungsstichtag in Kraft befindlichen Arbeitsvertrag keine gewöhnlichen Arbeitsstunden vorgesehen sind.
(2) … soweit sich der Lohn des Arbeitnehmers für eine Beschäftigung während gewöhnlicher Arbeitsstunden … nicht in Abhängigkeit von dem in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitsvolumen ändert, …
(3) … soweit sich der Lohn des Arbeitnehmers für eine Beschäftigung während gewöhnlicher Arbeitsstunden … in Abhängigkeit vom Arbeitsvolumen in diesem Zeitraum ändert, gilt als Wochenlohn der Lohn für die Anzahl der gewöhnlichen Arbeitsstunden in einer Woche, berechnet nach dem durchschnittlichen Stundenlohn, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Zwölfwochenzeitraum zu zahlen hat …
(4) In diese...