Entscheidungsstichwort (Thema)
Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates. Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers. Ordnungsgemäßer Wohnsitz. Zeiten, in denen eine Person, die die Genehmigung erhalten hat, zu dem Arbeitnehmer zu ziehen, mit diesem in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat. Recht auf Ausübung einer Beschäftigung. Antrag auf einstweilige Anordnung
Beteiligte
Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg |
Tenor
Ein türkischer Staatsangehöriger, der wie die Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens die Genehmigung erhalten hat, als Ehegatte eines türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats angehört, zu diesem zu ziehen, erfüllt den Tatbestand des Artikels 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80, wenn er trotz Scheidung der Ehe vor Ablauf der im ersten Gedankenstrich dieser Bestimmung vorgesehenen Anwartschaftszeit von drei Jahren weiterhin bis zu einer erneuten Eheschließung mit seinem geschiedenen Ehegatten ununterbrochen mit diesem zusammenlebte. Dieser türkische Staatsangehörige hat seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz im Sinne dieser Vorschrift in diesem Mitgliedstaat und kann nach drei Jahren unmittelbar das Recht geltend machen, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, nach fünf Jahren aber das Recht, freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu haben.
Tatbestand
In der Rechtssache C-65/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Safet Eyüp
gegen
Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der von dem durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrat erlassen wurde,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, G. Hirsch, H. Ragnemalm und V. Skouris,
Generalanwalt: A. La Pergola
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Frau Eyüp, vertreten durch Rechtsanwalt W. L. Weh, Bregenz,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch W. Okresek, Sektionschef im Bundeskanzleramt, als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat E. Röder und Regierungsdirektor C.-D. Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ridley, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, im Beistand von Barrister D. Anderson,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater P.-J. Kuijper und B. Brandtner, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Eyüp, vertreten durch Rechtsanwalt W. L. Weh, der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse, Bundeskanzleramt, und Ministerialrätin I. Nowotny, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, als Bevollmächtigte, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. V. Magrill, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, im Beistand von D. Anderson, und der Kommission, vertreten durch P. J. Kuijper und B. Brandtner, in der Sitzung vom 9. September 1999,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. November 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 18. Dezember 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) fünf Fragen nach der Auslegung des Artikels 7 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im folgenden: Beschluß Nr. 1/80) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Assoziationsrat wurde durch das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnete Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffen, das durch den Beschluß 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der türkischen Staatsangehörigen Eyüp (Beschwerdeführerin) und der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg über eine Entscheidung, mit der ihr Antrag auf Feststellung, daß sie die tatbestandlichen Voraussetzungen des Artikels 7 Satz 1 ...