Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaft. Gesundheitspolitik. Richtlinie 90/425/EWG. Vorläufige nationale Regelung zum Schutz vor der Ausbreitung der spongiformen Rinderenzephalopathie durch ein Verbot der Produktion und der Vermarktung von verarbeiteten tierischen Proteinen zur Verfütterung an Nutztiere. Anwendung dieser Regelung vor Inkrafttreten der ein solches Verbot vorsehenden Entscheidung 2000/766/EG. Anwendung dieser Regelung auf zwei Produkte, für die eine Ausnahme von dem in dieser Entscheidung vorgesehenen Verbot möglich ist. Vereinbarkeit mit der Richtlinie 90/425/EWG sowie mit den Entscheidungen 94/381/EG und 2000/766/EG
Beteiligte
Tenor
Das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt sowie die Entscheidungen 94/381/EG der Kommission vom 27. Juni 1994 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die spongiforme Rinderenzephalopathie und die Verfütterung von aus Säugetieren gewonnenen Futtermitteln und 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein, steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die zum Schutz vor der spongiformen Rinderenzephalopathie ein vorläufiges Verbot der Produktion und der Vermarktung von verarbeiteten tierischen Proteinen zur Verfütterung an Nutztiere vorsah, soweit die Situation im betroffenen Mitgliedstaat so dringlich war, dass der unverzügliche Erlass derartiger Maßnahmen aus schwerwiegenden Gründen in Bezug auf den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier gerechtfertigt war. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die letztgenannte Voraussetzung erfüllt ist und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof's-Gravenhage (Niederlande) mit Entscheidung vom 18. August 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. August 2009, in dem Verfahren
Staat der Nederlanden
gegen
Denkavit Nederland BV u. a.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas (Berichterstatter), U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Denkavit Nederland BV u. a., vertreten durch H. Ferment, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und A. Engman als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Jimeno Fernández und B. Burggraaf als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. November 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Unionsrechts über die Verwendung tierischer Proteine zur Verfütterung an Tiere, und zwar insbesondere folgende Rechtsakte:
- die Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt (ABl. L 224, S. 29);
- die Entscheidung 94/381/EG der Kommission vom 27. Juni 1994 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die spongiforme Rinderenzephalopathie und die Verfütterung von aus Säugetieren gewonnenen Futtermitteln (ABl. L 172, S. 23);
- die Entscheidung 2000/766/EG des Rates vom 4. Dezember 2000 über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein (ABl. L 306, S. 32) und
- die Entscheidung 2001/9/EG der Kommission vom 29. Dezember 2000 über Kontrollmaßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung 2000/766 (ABl. 2001, L 2, S. 32).
Rz. 2
Dieses Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staat der Nederlanden und der Denkavit Nederland BV u. a. (im Folgenden: Denkavit u. a.), d. h. mehreren Futtermittelherstellern und einem Unternehmen, das mit Grundstoffen für Futtermittel handelt. In diesem Rechtsstreit geht es darum, ob eine vorläufige nationale Regelung, die zum Schutz vor der spongiformen Rinderenzephalopathie (im Folgenden: BSE) die Einführung eines Verbots der Produktion und der Vermarktung von verarbeiteten tierischen Proteinen zur Verfütterung an Nutztiere vorsieht, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, soweit dieses Verbot zum einen nach Erlass, jedoch vor Inkrafttreten einer Entscheidung der Union üb...