Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Niederlassungsfreiheit -Richtlinie 96/96/EG. Nationale Regelung. Restriktive Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit der Untersuchung von Fahrzeugen. Art. 45 EG- Tätigkeiten, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Sicherheit des Straßenverkehrs. Verhältnismäßigkeit

 

Beteiligte

Kommission / Portugal

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Portugiesische Republik

 

Tenor

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen, dass sie die Niederlassungsfreiheit von Organisationen aus anderen Mitgliedstaaten, die in Portugal Fahrzeuguntersuchungen durchführen möchten, beschränkt hat, nämlich indem sie die Erteilung einer Genehmigung vom öffentlichen Interesse abhängig gemacht, ein Mindestgesellschaftskapital von 100 000 Euro vorgeschrieben, den Gesellschaftszweck der Unternehmen begrenzt und Inkompatibilitätsvorschriften für deren Gesellschafter, Geschäftsführer und Verwalter erlassen hat.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 3. Oktober 2008,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und M. Teles Romão als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes und A. Pereira de Miranda als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Portugal dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen hat, dass sie die Niederlassungsfreiheit von Organisationen aus anderen Mitgliedstaaten, die in Portugal Fahrzeuguntersuchungen durchführen möchten, beschränkt hat, indem sie namentlich die Erteilung einer Genehmigung hierfür vom öffentlichen Interesse abhängig gemacht, ein Mindestgesellschaftskapital von 100 000 Euro vorgeschrieben, den Gesellschaftszweck der Unternehmen begrenzt und Inkompatibilitätsvorschriften für deren Gesellschafter, Geschäftsführer und Verwalter erlassen hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Der 33. Erwägungsgrund der Richtlinie 96/96/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. 1997, L 46, S. 1) lautet:

„…[D]ie in dieser Richtlinie vorgesehenen Gemeinschaftsmaßnahmen [sind] zur Erreichung des Ziels der Harmonisierung der Regeln für die technische Überwachung notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Verkehrsunternehmen zu vermeiden und um zu gewährleisten, dass die Fahrzeuge vorschriftsmäßig eingestellt und gewartet werden. …”

Rz. 3

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 96/96 sieht vor:

„In jedem Mitgliedstaat sind die in diesem Staat zugelassenen Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeuganhänger und Sattelanhänger einer regelmäßigen technischen Überwachung entsprechend dieser Richtlinie … zu unterziehen”.

Rz. 4

Art. 2 der Richtlinie lautet:

„Die technische Überwachung nach dieser Richtlinie ist von staatlichen Stellen oder von staatlich entsprechend beauftragten öffentlichen Stellen oder von Organisationen oder Einrichtungen vorzunehmen, die vom Staat dafür bestimmt und unter seiner unmittelbaren Aufsicht tätig sind, einschließlich hierfür zugelassener privatwirtschaftlicher Organisationen. Sind die mit der technischen Überwachung beauftragten Einrichtungen gleichzeitig als Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten tätig, so tragen die Mitgliedstaaten in besonderer Weise dafür Sorge, dass die Objektivität und eine hohe Qualität der Überwachung gewahrt sind.”

Nationales Recht

Rz. 5

Art. 3 des Decreto-Lei (Gesetzesdekret) Nr. 550/99 vom 15. Dezember 1999 betreffend die Tätigkeit der technischen Untersuchung von Kraftfahrzeugen (im Folgenden: Decreto-Lei) lautet:

  1. „Die Genehmigung zur Durchführung von Fahrzeuguntersuchungen wird inländischen und ausländischen juristischen Personen – letzteren sofern sie im Inland eine ordnungsgemäße Niederlassung haben – durch Entscheidung des Innenministers auf Vorschlag der Generaldirektion für den Straßenverkehr erteilt.
  2. Die Generaldirektion für den Straßenverkehr kann einen Vorschlag im Sinne des vorstehenden Absatzes nur machen, wenn das öffentliche Interesse an der Durchführung von Untersuchungen die Erteilung der genannten Genehmigung rechtfertigt.”

Rz. 6

Die Generaldirektion für den Straßenverkehr existiert mittlerweile nicht mehr; ihre Zus...

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