Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Europäische Märkte für Zinn- und ESBO/Ester-Wärmestabilisatoren. Anwendungsbereich. Beratungsunternehmen, das nicht auf den betroffenen Märkten tätig ist. Begriffe ‚Vereinbarung zwischen Unternehmen’ und ‚abgestimmte Verhaltensweise’. Berechnung der Geldbußen. Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung
Normenkette
EG Art. 81 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die AC-Treuhand AG trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 17. April 2014,
AC-Treuhand AG mit Sitz in Zürich (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Steinle, I. Bodenstein und C. von Köckritz,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch H. Leupold, F. Ronkes Agerbeek und R. Sauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Ersten Kammer R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), A. Arabadjiev, C. Lycourgos und J.-C. Bonichot,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Mai 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die AC-Treuhand AG (im Folgenden: AC-Treuhand) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 6. Februar 2014, AC-Treuhand/Kommission (T-27/10, EU:T:2014:59, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2009) 8682 endg. der Kommission vom 11. November 2009 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38589 – Wärmestabilisatoren) (im Folgenden: streitige Entscheidung) und, hilfsweise, auf Herabsetzung der mit dieser Entscheidung verhängten Geldbußen abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
Art. 23 („Geldbußen”) Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] verstoßen …
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”
Rz. 3
Art. 31 („Nachprüfung durch den Gerichtshof”) dieser Verordnung lautet:
„Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.”
Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 4
In den Ziff. 4 bis 6, 13, 36 und 37 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es:
„4. … [Die Geldbuße] sollte so hoch festgesetzt werden, dass nicht nur die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen sanktioniert werden (Spezialprävention), sondern auch andere Unternehmen von der Aufnahme oder Fortsetzung einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 [EG] oder 82 [EG] abgehalten werden (Generalprävention).
5. Zur Verwirklichung dieser Ziele sollten die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen berechnet werden, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Auch die Dauer der Zuwiderhandlung sollte bei der Bestimmung des angemessenen Betrags der Geldbuße eine wichtige Rolle spielen …
6. Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt …
…
13. Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des [Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)] verkauften...