Entscheidungsstichwort (Thema)
Luftverkehr. Übereinkommen von Montreal. Art. 22 Abs. 2. Haftung der Luftfrachtführer für Reisegepäck. Grenzen bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung des Reisegepäcks. Gemeinsames Reisegepäck mehrerer Reisenden. Aufgabe durch nur einen von ihnen
Beteiligte
Alejandra Oviedo Gonzales |
Iberia Líneas Aéreas de Espaía SA |
Tenor
Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichnet und mit Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 in ihrem Namen genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass der Anspruch auf Entschädigung und die Haftungsbegrenzung des Luftfrachtführers bei Verlust von Reisegepäck auch für den Reisenden gelten, der diese Entschädigung für den Verlust eines Gepäckstücks fordert, das von einem Mitreisenden aufgegeben wurde, sofern dieses verloren gegangene Gepäckstück tatsächlich Gegenstände des Reisenden enthielt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 15. Juni 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 1. August 2011, in dem Verfahren
Pedro Espada Sánchez,
Alejandra Oviedo Gonzales,
Lucía Espada Oviedo,
Pedro Espada Oviedo
gegen
Iberia Líneas Aéreas de España SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, J. Malenovský und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Espada Sánchez u. a., vertreten durch C. Chulio Purroy und D. Miró García, abogados,
- der Iberia Líneas Aéreas de España SA, vertreten durch J. Fillat Boneta und M. Fillat Torné, abogados,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Abs. 2 des am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossenen Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, das von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichnet und mit Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. L 194, S. 39) in ihrem Namen genehmigt wurde (im Folgenden: Übereinkommen von Montreal).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Espada Sánchez, Frau Oviedo Gonzáles und ihren beiden minderjährigen Kindern Lucía und Pedro einerseits und der Fluggesellschaft Iberia Líneas Aéreas de España SA (im Folgenden: Iberia) andererseits über den Schaden, der durch den Verlust von aufgegebenem Reisegepäck bei einer von dieser Gesellschaft durchgeführten Beförderung im Luftverkehr entstanden ist.
Rechtlicher Rahmen
Übereinkommen von Montreal
Rz. 3
Nach dem dritten Absatz der Präambel des Übereinkommens von Montreal erkennen dessen Vertragsstaaten die „Bedeutung des Schutzes der Verbraucherinteressen bei der Beförderung im internationalen Luftverkehr und eines angemessenen Schadensersatzes nach dem Grundsatz des vollen Ausgleichs” an.
Rz. 4
Im fünften Absatz dieser Präambel heißt es, dass „gemeinsames Handeln der Staaten zur weiteren Harmonisierung und Kodifizierung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr durch ein neues Übereinkommen das beste Mittel ist, um einen gerechten Interessenausgleich zu erreichen”.
Rz. 5
Art. 3 („Reisende und Reisegepäck”) Abs. 3 des Übereinkommens von Montreal bestimmt:
„Der Luftfrachtführer hat dem Reisenden für jedes aufgegebene Gepäckstück einen Beleg zur Gepäckidentifizierung auszuhändigen.”
Rz. 6
Art. 17 („Tod und Körperverletzung von Reisenden – Beschädigung von Reisegepäck”) dieses Übereinkommens sieht in Abs. 2 und 4 vor:
„(2) Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder während eines Zeitraums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene Reisegepäck in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Der Luftfrachtführer haftet jedoch nicht, wenn und soweit der Schaden auf die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurüc...