Entscheidungsstichwort (Thema)

Marken. Arzneimittel. Umverpackung. Paralleleinfuhren. Wesentliche Änderung des Erscheinungsbilds der Verpackung. Pflicht zur vorherigen Unterrichtung

 

Beteiligte

The Wellcome Foundation Ltd

Paranova Pharmazeutika Handels GmbH

 

Tenor

1. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, sofern das Umpacken des Arzneimittels durch Neuverpackung nachweislich für seinen weiteren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist, die Art der Gestaltung dieser Verpackung nur an der Voraussetzung zu messen ist, dass sie nicht so aufgemacht sein darf, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann.

2. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es Sache des Parallelimporteurs ist, dem Markeninhaber die Angaben zu übermitteln, die dafür notwendig und ausreichend sind, dass dieser überprüfen kann, ob die Umverpackung der durch die Marke geschützten Ware für deren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. Mai 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juli 2005, in dem Verfahren

The Wellcome Foundation Ltd

gegen

Paranova Pharmazeutika Handels GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.-C. Bonichot, J. Makarczyk, L. Bay Larsen (Berichterstatter) und der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der The Wellcome Foundation Ltd, vertreten durch die Rechtsanwälte L. Wiltschek und E. Tremmel,
  • der Paranova Pharmazeutika Handels GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt R. Schneider,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch O. Patsopoulou, G. Alexaki und M. Apessos als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. Oktober 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/104).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen The Wellcome Foundation Ltd (im Folgenden: Wellcome), die Inhaberin der österreichischen Marke ZOVIRAX ist, und der Paranova Pharmazeutika Handels GmbH (im Folgenden: Paranova) über Arzneimittel der Marke ZOVIRAX, die von Wellcome oder Dritten in den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) in den Verkehr gebracht und von Paranova nach Österreich parallel eingeführt und dort vertrieben worden sind, nachdem sie neu verpackt worden waren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Art. 7 („Erschöpfung des Rechts aus der Marke”) der Richtlinie 89/104 bestimmt:

„(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.

(2) Absatz l findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.”

Rz. 4

Durch Art. 65 Abs. 2 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verbindung mit dessen Anhang XVII Nr. 4 wurde Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 für die Zwecke dieses Abkommens in der Weise geändert, dass der Ausdruck „in der Gemeinschaft” durch die Worte „in einem Vertragsstaat” ersetzt wurde.

Nationales Recht

Rz. 5

Nach § 10b Abs. 1 des Markenschutzgesetzes gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Gemäß § 10b Abs. 2 des Markenschutzgesetzes findet Abs. 1 keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbrin...

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