Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des ‚einzelstaatlichen Gerichts’ im Sinne von Art. 234 EG. Anerkennung der Diplome. Richtlinie 89/48/EWG. Rechtsanwalt/Rechtsanwältin. Eintragung bei der Berufskammer eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem der Studienabschluss als gleichwertig anerkannt worden ist

 

Beteiligte

Koller

Robert Koller

 

Tenor

1. Im Hinblick auf den Zugang zum reglementierten Beruf des Rechtsanwalts im Aufnahmemitgliedstaat, kann sich, vorbehaltlich des Bestehens einer Eignungsprüfung, der Inhaber eines in diesem Mitgliedstaat verliehenen Titels, mit dem ein mehr als dreijähriges Studium abgeschlossen wurde, sowie eines gleichwertigen Titels, der ihm in einem anderen Mitgliedstaat nach einer Ergänzungsausbildung verliehen wurde, die weniger als drei Jahre dauerte und ihm in diesem letztgenannten Staat das Recht auf Zugang zum reglementierten Beruf des Rechtsanwalts verleiht, den er zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Zulassung zur Eignungsprüfung beantragte, dort tatsächlich ausübte, auf die Bestimmungen der geänderten Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 geänderten Fassung berufen.

2. Die Richtlinie 89/48 in der durch die Richtlinie 2001/19 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats verwehrt, einer Person in der Situation des Klägers des Ausgangsverfahrens die Zulassung zur Eignungsprüfung für den Beruf des Rechtsanwalts zu versagen, wenn der Nachweis fehlt, dass sie die nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats geforderte praktische Verwendung absolviert hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (Österreich) mit Entscheidung vom 16. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2009, in dem Verfahren

Robert Koller

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot sowie der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Koller selbst, abogado,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou und S. Vodina als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Báscones als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Hermes und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Juni 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Richtlinie 89/48).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Koller und der Rechtsanwaltsprüfungskommission des Oberlandesgerichts Graz über die Weigerung ihres Präses, Herrn Koller zur Eignungsprüfung für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Österreich zuzulassen oder ihm diese Prüfung zu erlassen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 Buchst. a, b und g der geänderten Richtlinie 89/48 lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten

a) als Diplome alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt,

  • die in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt werden,
  • aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, und
  • aus denen hervorgeht, dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind,

wenn die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde …

Einem Diplom im Sinne von Unterabsatz 1 sind alle Diplome, Prüfungszeugnisse od...

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