Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Luftqualität. Grenzwerte für Feinstaub (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2). Überschreitung. Luftqualitätspläne. Schäden, die einem Einzelnen durch die Verschlechterung der Luft aufgrund einer Überschreitung dieser Grenzwerte entstanden sein sollen. Haftung des betreffenden Mitgliedstaats. Voraussetzungen für die Auslösung dieser Haftung. Erfordernis, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, den Geschädigten Rechte zu verleihen. Fehlen

 

Normenkette

Richtlinie 80/779/EWG; Richtlinie 2008/50/EG; Richtlinie 1999/30/EG; Richtlinie 96/62/EG; Richtlinie 85/203/EWG

 

Beteiligte

Ministre de la Transition écologique und Premier ministre

JP

Ministre de la Transition écologique

Premier ministre

 

Tenor

Die Art. 3 und 7 der Richtlinie 80/779/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub, die Art. 3 und 7 der Richtlinie 85/203/EWG des Rates vom 7. März 1985 über Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid, die Art. 7 und 8 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 1999/30/EG des Rates vom 22. April 1999 über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft sowie Art. 13 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa

sind dahin auszulegen, dass

sie nicht bezwecken, dem Einzelnen individuelle Rechte zu verleihen, die für ihn einen Schadensersatzanspruch gegen einen Mitgliedstaat nach dem Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden begründen können, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour administrative d'appel de Versailles (Verwaltungsberufungsgericht Versailles, Frankreich) mit Entscheidung vom 29. Januar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2021, in dem Verfahren

JP

gegen

Ministre de la Transition écologique,

Premier ministre

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten E. Regan, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi, der Richter M. Ilešič, J.-C. Bonichot, N. Piçarra, I. Jarukaitis, A. Kumin, N. Jääskinen, N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter) sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: V. Giacobbo, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von JP, vertreten durch L. Gimalac, Avocat,
  • der französischen Regierung, vertreten durch T. Stéhelin und W. Zemamta als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch M. Browne, M. Lane und J. Quaney als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, Barrister, und S. Kingston, SC,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, Avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und D. Krawczyk als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch A. Hanje als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Noll-Ehlers und F. Thiran als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 5. Mai 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen JP auf der einen und dem Ministre de la Transition écologique (Minister für den ökologischen Wandel, Frankreich) sowie dem Premier ministre (Premierminister, Frankreich) auf der anderen Seite über Anträge von JP u. a. zum einen auf Aufhebung der stillschweigenden Entscheidung des Präfekten des Departements Val-d'Oise (Frankreich), es abzulehnen, die zur Lösung seiner Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit der Luftverschmutzung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, und zum anderen auf Entschädigung durch die Französische Republik für die verschiedenen Schäden, die JP auf diese Verschmutzung zurückführt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 80/779/EWG

Rz. 3

Art. 3 der Richtlinie 80/779/EWG des Rates vom 15. Juli 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub (ABl. 1980, L 229, S. 30) sah vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen geeignete Maßnahmen, damit die Konzentrationen von Schwefeldioxid und Schwebestaub in der Atmosphäre ab 1. Apr...

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