Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 79/409/EWG. Erhaltung der wild lebenden Vogelarten. Wachtelkönig. Besonderes Schutzgebiet des nationalen Landschaftsschutzgebiets Lauteracher Ried. Ausschluss der Gebiete Soren und Gleggen-Köblern. Richtlinie 92/43/EWG. Erhaltung der natürlichen Lebensräume. Wild lebende Tiere und Pflanzen. Verfahren betreffend einen Bauplan oder ein Bauvorhaben. Trassenfestlegungsverfahren für eine Schnellstraße. Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit. Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben Bundesschnellstraße S18 in Österreich. Zeitliche Geltung der Richtlinie 92/43
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten in der durch die Richtlinie 97/49/EG der Kommission vom 29. Juli 1997 geänderten Fassung verstoßen, indem sie mit den Gebieten Soren und Gleggen-Köblern Teilgebiete, die nach wissenschaftlichen Kriterien zusammen mit dem besonderen Schutzgebiet des nationalen Landschaftsschutzgebiets Lauteracher Ried zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten nach den genannten Bestimmungen dieser Richtlinie zählen, nicht in dieses besondere Schutzgebiet aufgenommen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Republik Österreich tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 12. Mai 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und B. Schima als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und J. Müller sowie K. Humer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen, P. Kūris (Berichterstatter), G. Arestis und J. Klučka,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Oktober 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten (ABl. L 103, S. 1) in ihrer durch die Richtlinie 97/49/EG der Kommission vom 29. Juli 1997 (ABl. L 223, S. 9) geänderten Fassung (im Folgenden: Vogelrichtlinie) und aus Artikel 6 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, indem sie
- mit den Gebieten Soren und Gleggen-Köblern Teilgebiete, die nach wissenschaftlichen Kriterien zusammen mit dem ausgewiesenen besonderen Schutzgebiet BSG (im Folgenden: BSG) des nationalen Landschaftsschutzgebiets Lauteracher Ried (im Folgenden: Lauteracher Ried) zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelrichtlinie zählen, nicht in dieses BSG aufgenommen hat und
- bei der Bewilligung des Straßenbauvorhabens Bundesschnellstraße Bodensee S18 (im Folgenden: S18) die Erfordernisse, die gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Habitatrichtlinie für den Fall der Vorhabensdurchführung bei Vorliegen eines negativen Ergebnisses der Verträglichkeitsprüfung des Vorhabens gelten, nicht korrekt und vollständig eingehalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Die Akte über den Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union
2 Die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21 und ABl. 1995, L 1, S. 1; im Folgenden: Beitrittsakte) ist am 24. Juni 1994 unterzeichnet worden und am 1. Januar 1995 in Kraft getreten.
3 Nach Artikel 2 der Beitrittsakte sind „[a]b dem Beitritt … die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte”.
4 Artikel 168 der Beitrittsakte bestimmt:
„Sofern in der Liste des Anhangs XIX oder in anderen Bestimmungen dieser Akte nicht eine Frist vorgesehen ist, setzen die neuen Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen in Kraft, um den Richtlinien und Entscheidungen im Sinne des Artikels 189 des EG-Vertrags und des Artikels 161 des Eurato...