Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 89/104/EWG. Markenrecht. Erschöpfung der Rechte des Markeninhabers. Lizenzvertrag. Verkauf von mit der Marke versehenen Waren unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags. Fehlende Zustimmung des Markeninhabers. Verkauf an Discounter. Schädigung des Ansehens der Marke
Beteiligte
Christian Dior couture SA |
Vincent Gladel als Insolvenzverwalter der Société industrielle lingerie (SIL) |
Société industrielle lingerie (SIL) |
Tenor
1. Art. 8 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Markeninhaber die Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend machen kann, der gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstößt, nach der aus Gründen des Ansehens der Marke der Verkauf von Waren wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden an Discounter untersagt ist, sofern nachgewiesen ist, dass dieser Verstoß aufgrund der besonderen Umstände im Fall des Ausgangsverfahrens den Prestigecharakter schädigt, der diesen Waren eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht.
2. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Lizenznehmer, der mit der Marke versehene Waren unter Missachtung einer Bestimmung des Lizenzvertrags in den Verkehr bringt, ohne die Zustimmung des Inhabers der Marke handelt, wenn nachgewiesen ist, dass diese Bestimmung einer der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Bestimmungen entspricht.
3. Muss das Inverkehrbringen von Prestigewaren durch den Lizenznehmer als mit der Zustimmung des Markeninhabers erfolgt angesehen werden, obwohl der Lizenznehmer dabei gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstoßen hat, kann der Inhaber der Marke eine solche Bestimmung nur geltend machen, um sich unter Berufung auf Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 dem Weiterverkauf der Waren zu widersetzen, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nachgewiesen ist, dass ein solcher Weiterverkauf dem Ansehen der Marke schadet.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 12. Februar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Februar 2008, in dem Verfahren
Copad SA
gegen
Christian Dior couture SA,
Vincent Gladel als Insolvenzverwalter der Société industrielle lingerie (SIL),
Société industrielle lingerie (SIL)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. ilešič, A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Copad SA, vertreten durch H. Farge, avocat,
- der Christian Dior couture SA, vertreten durch J.-M. Bruguière sowie durch P. Deprez und E. Bouttier, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch B. Beaupère-Manokha sowie durch G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. Dezember 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 und Art. 8 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Copad SA (im Folgenden: Copad) einerseits und der Christian Dior couture SA (im Folgenden: Dior), der Société industrielle lingerie (im Folgenden: SIL) und Herrn Gladel als Insolvenzverwalter der SIL andererseits betreffend den Verkauf von mit der Marke Christian Dior versehenen Waren an Copad durch SIL unter Verstoß gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags zwischen SIL und Dior.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr
- ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;
- ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistu...