Entscheidungsstichwort (Thema)
Verluste aus einer Betriebsstätte in einem EWR-Mitgliedstaat, die zu einer Gesellschaft mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat gehört, DBA Österreich, Auslandsinvestitionsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 steht einer nationalen Steuerregelung nicht entgegen, nach der die Verluste einer Betriebsstätte, die in einem anderen Staat als dem Ansässigkeitsstaat ihres Stammhauses belegen ist, bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Stammhauses berücksichtigt werden können, später aber, sobald die Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftet, steuerlich wieder hinzugerechnet werden müssen, wenn der Betriebsstättenstaat keinen Vortrag von Verlusten einer Betriebsstätte einer in einem anderen Staat ansässigen Gesellschaft zulässt und wenn nach einem zwischen den beiden betreffenden Staaten abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte einer solchen Einheit im Ansässigkeitsstaat ihres Stammhauses von der Steuer befreit sind.
Normenkette
EWR-Abk Art. 31
Beteiligte
Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt |
Finanzamt für Körperschaften III in Berlin |
Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Niederlassungsfreiheit ‐ Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ‐ Steuerrecht ‐ Steuerliche Behandlung von Verlusten aus einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat des EWR, die zu einer Gesellschaft gehört, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat“
In der Rechtssache C-157/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. November 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2007, in dem Verfahren
Finanzamt für Körperschaften III in Berlin
gegen
Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Finanzamts für Körperschaften III in Berlin, vertreten durch J.-P. Panthen und P. Lamprecht als Bevollmächtigte,
‐ der Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Schönfeld,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch A. Hubert als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Z. Bryanston-Cross als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt für Körperschaften III in Berlin (im Folgenden: Finanzamt) und der Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt GmbH (im Folgenden: KR Wannsee) über die steuerliche Behandlung in Deutschland von Verlusten einer Betriebsstätte von KR Wannsee in Österreich.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
3
Art. 6 des EWR-Abkommens bestimmt:
„Unbeschadet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.“
4
In Art. 31 des EWR-Abkommens heißt es:
„Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines [Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft] oder eines [Staates der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)] im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen. Das gilt gleichermaßen für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines [Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft] oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser St...