Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwelt. Abfalldeponien. Richtlinie 1999/31/EG. Sonderabgabe für die Deponierung fester Abfälle. Abgabenpflicht des Betreibers einer Deponie. Betriebskosten einer Deponie. Richtlinie 2000/35/EG. Verzugszinsen. Pflichten des nationalen Gerichts
Beteiligte
Provincia Regionale di Palermo |
Tenor
Unter Umständen wie im Ausgangsverfahren
- muss das vorlegende Gericht, bevor es die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes Nr. 549 vom 28. Dezember 1995 mit Maßnahmen zur Rationalisierung der öffentlichen Finanzen außer Anwendung lässt, zunächst unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts, und zwar sowohl des materiellen als auch des Verfahrensrechts, prüfen, ob es sein nationales Recht unter keinen Umständen so auslegen kann, dass sich der Ausgangsrechtsstreit im Einklang mit dem Wortlaut und dem Zweck der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung sowie der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr lösen lässt;
- ist eine solche Auslegung nicht möglich, muss das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren alle mit Art. 10 der Richtlinie 1999/31 in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung und den Art. 1 bis 3 der Richtlinie 2000/35 unvereinbaren Bestimmungen des nationalen Rechts außer Anwendung lassen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Commissione tributaria provinciale di Palermo (Italien) mit Entscheidung vom 14. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2011, in dem Verfahren
Amia SpA in Liquidation
gegen
Provincia Regionale di Palermo
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Marghelis und A. Aresu als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob das vorlegende Gericht im Licht des Urteils vom 25. Februar 2010, Pontina Ambiente (C-172/08, Slg. 2010, I-1175), die nationalen Bestimmungen außer Anwendung zu lassen hat, die es für mit Art. 10 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. L 182, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 1999/31) sowie mit den Art. 1 bis 3 der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. L 200, S. 35) unvereinbar hält.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Amia SpA in Liquidation (im Folgenden: Amia) und der Provincia Regionale di Palermo wegen eines Bescheids über eine Sonderabgabe für die Deponierung fester Abfälle.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 10 der Richtlinie 1999/31 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, die gewährleisten, dass alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie, so weit wie möglich einschließlich der Kosten der finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertigem, gemäß Artikel 8 Buchstabe a) Ziffer iv), sowie die geschätzten Kosten für die Stilllegung und die Nachsorge für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren durch das vom Betreiber in Rechnung zu stellende Entgelt für die Ablagerung aller Abfallarten in der Deponie abgedeckt werden. Vorbehaltlich der Anforderungen der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt [ABl. L 158, S. 56] sorgen die Mitgliedstaaten für Transparenz bei der Erfassung und der Verwendung aller erforderlichen Informationen zu den Kosten.”
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie 2000/35 sieht vor, dass diese auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden ist.
Rz. 5
Nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2000/35 bezeichnet der Ausdruck „Geschäftsverkehr” Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen.
Rz. 6
Art. 3 („Zinsen bei Zahlungsverzug”) der Richtlinie 2000/35 sieht insbesondere vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen...