Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Personenverkehrsdienste. Eisenbahnverkehr. Öffentliche Dienstleistungsaufträge. Direktvergabe. Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung einer Bekanntmachung über die Direktvergabe. Umfang
Normenkette
EGV Nr. 1370/2007
Beteiligte
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Attribution directe d'un contrat de service public de transport) |
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato |
Regione autonoma della Sardegna |
Tenor
Art. 7 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden, die beabsichtigen, einen Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste auf der Schiene direkt zu vergeben, zum einen nicht verpflichtet sind, alle erforderlichen Informationen zu veröffentlichen oder den möglicherweise interessierten Wirtschaftsteilnehmern zu übermitteln, damit sie ein Angebot erstellen können, das hinreichend detailliert ist und Gegenstand einer vergleichenden Bewertung sein kann, und zum anderen nicht verpflichtet sind, eine solche vergleichende Bewertung aller nach der Veröffentlichung dieser Informationen möglicherweise eingegangenen Angebote vorzunehmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Sardegna (Regionales Verwaltungsgericht für Sardinien, Italien) mit Entscheidung vom 4. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2018, in dem Verfahren
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato
gegen
Regione autonoma della Sardegna,
Beteiligte:
Trenitalia SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato, vertreten durch S. Gattamelata, avvocato,
- der Regione autonoma della Sardegna, vertreten durch S. Sau und A. Camba, avvocatesse,
- der Trenitalia SpA, vertreten durch L. Torchia und F. G. Albisinni, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte, im Beistand von F. Sclafani, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und G. Conte als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (italienische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, Italien) (im Folgenden: AGCM) und der Regione autonoma della Sardegna (Autonome Region Sardinien, Italien) (im Folgenden: Region Sardinien) über die Direktvergabe eines Auftrags für öffentliche Personenverkehrsdienste auf der Schiene durch die Region Sardinien an die Trenitalia SpA.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 25, 29 und 30 der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt es:
„(25) Der öffentliche Schienenpersonenverkehr wirft spezielle Fragen in Bezug auf die Investitionslast und die Infrastrukturkosten auf. Die [Europäische] Kommission hat im März 2004 eine Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft [(ABl. 1991, L 237, S. 25)] vorgeschlagen, damit alle Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft zur Durchführung grenzüberschreitender Personenverkehrsdienste Zugang zur Infrastruktur aller Mitgliedstaaten erhalten. Mit der vorliegenden Verordnung soll ein Rechtsrahmen für die Gewährung einer Ausgleichsleistung und/oder ausschließlicher Rechte für öffentliche Dienstleistungsaufträge geschaffen werden; eine weitere Öffnung des Marktes für Schienenverkehrsdienste ist nicht beabsichtigt.
…
(29) Hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sollten die zuständigen Behörden – außer bei Notmaßnahmen und Aufträgen für geringe Entfernungen – die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um mindestens ein Jahr im Voraus bekannt zu geben, dass sie solche Aufträge zu vergeben beabsichtigen, so dass potenzielle Betreiber eines öffentlichen Dienstes darauf reagieren können.
(30) Bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstl...