Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Staatliche Beihilfen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe. Anmeldung. Fehlen. Verpflichtung des Empfängers, für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe Zinsen zu zahlen. Zinsberechnung. Zu berücksichtigende Beträge
Normenkette
AEUV Art. 106 Abs. 2, Art. 108 Abs. 3
Beteiligte
Viasat Broadcasting UK Ltd |
Tenor
1. Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der einzelstaatlichen Gerichte, dem Empfänger einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung durchgeführten staatlichen Beihilfe die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe aufzuerlegen, auch dann gilt, wenn die Europäische Kommission mit ihrem endgültigen Beschluss gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt.
2. Art. 108 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der einzelstaatlichen Gerichte, dem Empfänger einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung durchgeführten staatlichen Beihilfe die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe aufzuerlegen, auch für Beihilfen, die der Empfänger an mit ihm verbundene Unternehmen übertragen hat, sowie für Beihilfen, die ihm von einem öffentlich kontrollierten Unternehmen gezahlt wurden, gilt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Landgericht der Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 29. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2019, in dem Verfahren
Viasat Broadcasting UK Ltd
gegen
TV2/Danmark A/S,
Königreich Dänemark
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten E. Regan, M. Ilešič, L. Bay Larsen, N. Piçarra und A. Kumin, des Richters T. von Danwitz, der Richterin C. Toader sowie der Richter I. Jarukaitis und N. Jääskinen,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Viasat Broadcasting UK Ltd, vertreten durch P. Jakobsen und M. Honoré, advokater,
- der TV2/Danmark A/S, vertreten durch O. Koktvedgaard, advokat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch S. Wolff und J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigte im Beistand von R. Holdgaard, advokat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Stromsky als Bevollmächtigten im Beistand von M. Niessen, advokat,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. September 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 106 Abs. 2 und Art. 108 Abs. 3 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Viasat Broadcasting UK Ltd (im Folgenden: Viasat) auf der einen Seite und der TV2/Danmark A/S (im Folgenden: TV2) sowie dem Königreich Dänemark auf der anderen Seite wegen der Verpflichtung von TV2, für den Zeitraum Zinsen zu zahlen, in dem Beihilfemaßnahmen, die ihr zugutekamen, vor Erlass des endgültigen Beschlusses der Europäischen Kommission, mit dem diese Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurden, rechtswidrig durchgeführt wurden.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Rz. 3
TV2 ist eine dänische Rundfunkgesellschaft mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag, der darin besteht, nationale und regionale Fernsehprogramme zu produzieren und auszustrahlen.
Rz. 4
Infolge einer Beschwerde überprüfte die Kommission in ihrer Entscheidung 2006/217/EG vom 19. Mai 2004 über die Beihilfen Dänemarks für TV2/Danmark (ABl. 2006, L 85, S. 1, Berichtigung im ABl. 2006, L 368, S. 112) das System zur Finanzierung von TV2/Danmark. In dieser Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten, die das Königreich Dänemark TV2 zwischen 1995 und 2002 in Form von Rundfunkgebühren und anderen Maßnahmen gewährt habe, dass diese Beihilfen jedoch gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, ausgenommen ein Betrag in Höhe von 628,2 Mio. dänische Kronen (DKK) (ungefähr 85 Mio. Euro).
Rz. 5
Nachdem diese Entscheidung durch das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 2008, TV2/Danmark u. a./Kommission (T-309/04, T-317/04, T-329/04 und T-336/04, EU:T:2008:457), für nichtig erklärt worden war, prüfte die Kommission die betreffenden Maßnahmen erneut.
Rz. 6
Nach Abschluss der Überprüfung stellte die Kommission mit ihrem Beschluss 2011/839/EU vom 20. April 2011 zu den Maßnahmen Dänemarks (Beihilfe C 2/03) zugunsten von TV2/Danmark (ABl. ...