Entscheidungsstichwort (Thema)
Niederlassungsfreiheit. Freier Kapitalverkehr. Art. 43 EG und 56 EG. Beschränkungen für den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken. Verpflichtung des Erwerbers, seinen ständigen Wohnsitz auf dem landwirtschaftlichen Grundstück zu begründen
Beteiligte
Tenor
1. Es läuft Art. 56 EG zuwider, dass eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Voraussetzung für den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks das Erfordernis aufstellt, dass der Erwerber auf diesem Grundstück seinen ständigen Wohnsitz begründet.
2. Diese Auslegung von Art. 56 EG ändert sich nicht, wenn das erworbene landwirtschaftliche Grundstück kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb ist und das Wohngebäude in einer Bebauungszone liegt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 5. Oktober 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Oktober 2005, in dem Strafverfahren gegen
Uwe Kay Festersen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, J. Malenovský (Berichterstatter) und U. Lõhmus,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Festersen, vertreten durch K. Berning, advokat,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering, advokat,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Moen und I. Holten als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 3. Oktober 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 56 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafprozesses gegen Herrn Festersen wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung, auf dem von ihm erworbenen Grundstück im Gebiet der Gemeinde Bov in Südjütland (Dänemark) einen ständigen Wohnsitz zu begründen.
Nationaler rechtlicher Rahmen
3 In § 2 des dänischen Landwirtschaftsgesetzes (landbrugslov) in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 598 (lovbekendtgørelse Nr. 598) vom 15. Juli 1999 (im Folgenden: Landwirtschaftsgesetz) heißt es:
„(1) Landwirtschaftliche Grundstücke unterliegen der Bewirtschaftungspflicht nach diesem Gesetz.
(2) Ein landwirtschaftliches Grundstück ist ein Grundstück, das im Kataster als solches eingetragen ist.
…”
4 § 4 Abs. 6 des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt:
„Wird ein landwirtschaftliches Grundstück geteilt oder auf andere Weise auf eine Fläche unter 2 Hektar verkleinert, so erlischt die Bewirtschaftungspflicht, es sei denn, der Eigentümer möchte sie beibehalten. …”
5 § 7 dieses Gesetzes lautet:
„(1) Ein landwirtschaftliches Grundstück muss vorbehaltlich der § 8 Abs. 4 und 6, § 9 Abs. 1 und 2 und § 10 als selbständiger Betrieb aufrechterhalten werden und mit einem entsprechenden Wohngebäude ausgestattet bleiben, von dem aus das Land von den Bewohnern bewirtschaftet wird.
(2) Das landwirtschaftliche Grundstück muss in verantwortlicher Weise unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten, der veterinärmedizinischen Bedingungen sowie von Natur und Umwelt bewirtschaftet werden.
…”
6 § 16 des Landwirtschaftsgesetzes bestimmt:
„(1) Das Recht an einem landwirtschaftlichen Grundstück, das in der Landwirtschaftszone liegt und dessen Fläche 30 Hektar übersteigt, kann erworben werden, wenn
…
4. der Erwerber binnen sechs Monaten nach dem Erwerb einen ständigen Wohnsitz auf dem Grundstück begründet,
5. der Erwerber das Grundstück selbst bewirtschaftet
…
(2) Das Recht an einem landwirtschaftlichen Grundstück, dessen Fläche 30 Hektar nicht übersteigt, kann erworben werden, wenn der Erwerber die Anforderungen des Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 erfüllt.
…”
7 In § 18 des Landwirtschaftsgesetzes heißt es:
„(1) Unbeschadet der in den §§ 16, 17 und 17a behandelten Fälle kann der Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks in der Landwirtschaftszone nur mit Genehmigung des Ministers für Nahrungsmittel, Landwirtschaft und Fischerei erfolgen.
…
(4) Der Minister kann den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks genehmigen, wenn
- der Erwerb zum Zweck einer Verwendung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 erfolgt und damit zu rechnen ist, dass das Grundstück in naher Zukunft für den betreffenden Zweck verwendet wird,
- der Erwerb zu Erwerbszwecken im Hinblick auf eine nicht-landwirtschaftliche Verwendung erfolgt, die im Übrigen im Hinblick auf ein allgemeines gesellschaftliches Interesse als wünschenswert anzusehen ist,
- der Erwerb im Hinblick auf bestimmte Zwecke erfolgt, darunter die Verwendung zu wissenschaftlichen, ausbildungsmäßigen, allgemeingesellschaftlichen, gesundheitlichen oder allgemeinen Erholungszwecken,
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