Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gerichtliche Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Durch ein Konnossement dokumentierter Seefrachtvertrag. Im Konnossement enthaltene Gerichtsstandsklausel. Wirksamkeit gegenüber dem Drittinhaber des Konnossements. Anwendbares Recht. Nationale Rechtsvorschriften, nach denen die Klausel durch den Drittinhaber des Konnossements einzeln und gesondert ausgehandelt worden sein muss
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 25 Abs. 1
Beteiligte
Mapfre España Compañía de Seguros y Reaseguros SA |
Allianz Seguros y Reaseguros SA |
MACS Maritime Carrier Shipping GmbH & Co. |
Tenor
1.Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
ist dahin auszulegen, dass
sich die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel gegenüber dem Drittinhaber des Konnossements, in dem diese Klausel enthalten ist, nicht nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, dem das oder die in der Klausel bezeichneten Gerichte angehören. Die Klausel kann dem Drittinhaber entgegengehalten werden, wenn er durch den Erwerb des Konnossements in sämtliche Rechte und Pflichten einer der ursprünglichen Vertragsparteien eintritt, was nach dem in der Sache anwendbaren Recht zu beurteilen ist, das nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts des Mitgliedstaats, dem das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht angehört, zu bestimmen ist.
2.Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein an einem Seefrachtvertrag zwischen einem Verfrachter und einem Befrachter nicht beteiligter Dritter, der das diesen Vertrag dokumentierende Konnossement erwirbt und somit dessen Drittinhaber wird, in alle Rechte und Pflichten des Befrachters mit Ausnahme derjenigen eintritt, die sich aus einer in dem Konnossement enthaltenen Gerichtsstandsklausel ergeben, und diese Klausel dem Dritten nur dann entgegengehalten werden kann, wenn er sie einzeln und gesondert ausgehandelt hat.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-345/22 bis C-347/22
betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Pontevedra (Provinzgericht Pontevedra, Spanien) mit Entscheidungen vom 16. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 2022, in den Verfahren
Maersk A/S
gegen
Allianz Seguros y Reaseguros SA(C-345/22 und C-347/22)
und
Mapfre España Compañía de Seguros y Reaseguros SA
gegen
MACS Maritime Carrier Shipping GmbH & Co.(C-346/22)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters P. G. Xuereb in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters A. Kumin (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: A. M. Collins,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Maersk A/S und der MACS Maritime Carrier Shipping GmbH & Co., vertreten durch C. Lopera Merino, Abogada, sowie G. Quintás Rodriguez und C. Zubeldía Blein, Procuradoras,
- – der Allianz Seguros y Reaseguros SA, vertreten durch L. A. Souto Maqueda, Abogado,
- – der Mapfre España Compañía de Seguros y Reaseguros SA, vertreten durch J. Tojeiro Sierto, Abogado,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Noë und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1, berichtigt in ABl. 2016, L 264, S. 43, im Folgenden: Brüssel-Ia-Verordnung).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten, in denen sich in den Rechtssachen C-345/22 und C-347/22 die dänische Speditionsgesellschaft Maersk A/S und die spanische Versicherungsgesellschaft Allianz Seguros y Reaseguros SA (im Folgenden: Allianz) und in der Rechtssache C-346/22 die spanische Versicherungsgesellschaft Mapfre España Compañía de Seguros y Reaseguros SA (im Folgenden: Mapfre) und die deutsche Speditionsgesellschaft MACS Maritime Carrier Shipping GmbH & Co. (im Folgenden: MACS) gegenüberstehen. Die beiden Versicherungsgesellschaften machen vor einem spanischen Gericht die Rechte Dritter geltend, die von den Speditionsgesellschaften auf dem Seeweg beförderte Waren erworben hatten, und verlangen Schadensersatz für Sachschäden, die im Zuge der Beförderung an diesen Waren entstanden sein sollen. Die Speditionsgesellschaften bestreiten dagegen die Z...