Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage bei Verkäufen gegen Zahlung mittels Kreditkarte
Leitsatz (redaktionell)
In dem Verfahren ging es um die Höhe der Bemessungsgrundlage bei Verkäufen, bei denen die Zahlung mittels Kreditkarte vorgenommen wird. Streitig war, ob die Bemessungsgrundlage sich auf den Betrag beschränkt, den der Unternehmer von dem Kreditkarteninstitut erhält bzw. um die Provision gekürzt werden kann, die das Kreditkarteninstitut einbehält.
Nach dem Urteil muß die von dem Kreditkarteninstitut einbehaltene Provision in die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Händlers einbezogen werden. Bemessungsgrundlage ist also der Betrag, den der Kunde mittels der Kreditkarte entrichtet und nicht der Betrag, den der Händler vom Kreditkarteninstitut nach Abzug der Provision erhält. Das Urteil entspricht der deutschen Rechtsauffassung.
Beteiligte
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
(Sechste Kammer)
In der Rechtssache C-18/92
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177/EWG-Vertrag vom Tribunal de première instance Brüssel in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Chaussures Bally SA
gegen
Belgischer Staat
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG; ABI. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof
(Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidenten C. N. Kakouris, der Richter G. F. Mancini, F. A. Schockweiler, M. Diez de Velasco und P. J. G. Kapteyn,
Generalanwalt: C. Gulmann
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
Der Chaussures Bally SA, vertreten durch Rechtsanwalt Luc Simonet, Brüssel,
des belgischen Staates, vertreten durch Rechtsanwalt Ignace Maselis, Brüssel,
der britischen Regierung, vertreten durch John Collins von Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten, Beistand: Barrister David Anderson,
der Kommission, vertreten durch Hauptrechtsberater Henri Étienne und Rechtsberater Johannes Fons Buhl als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Chaussures Bally SA, des belgischen Staates, der britischen Regierung, vertreten durch David Anderson und Susan Cochrane von Treasury Solicitor's Department als Bevollmächtigte, sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Sitzung vom 14. Januar 1993,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. März 1993,
folgendes
Urteil
1 Das Tribunal de première instance Brüssel hat mit Urteil vom 10. Januar 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABI. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Chaussures Bally SA (Klägerin) und dem belgischen Staat über die Erstattung von Beträgen, die die Klägerin dem belgischen Staat als Mehrwertsteuer gezahlt hat.
3 Aus dem Vorlageurteil ergibt sich, daß die Klägerin die Schuhe unter der Marke Bally vertreibt, sich von ihren Kunden den Preis ihrer Einkäufe entweder in bar, durch Scheck oder durch Kreditkarte entrichten läßt. Für den letztgenannten Fall hat die Klägerin mit verschiedenen Kreditkarteninstituten Vereinbarungen getroffen, denen zufolge das Kreditkarteninstitut, wenn der Kunde als Inhaber einer Kreditkarte einen Gegenstand unter Benutzung dieser Karte kauft, dem Lieferanten der Ware deren Preis unter Abzug einer Provision von im allgemeinen 5 % dieser Zahlungen vergütet.
4 Bei der Klägerin, die gemäß Artikel 4 des belgischen Mehrwertsteuergesetzes mehrwertsteuerpflichtig ist, waren Zweifel daran aufgetreten, ob sie die Steuer nach Maßgabe des Nettobetrags, den sie von den Kreditkarteninstituten nach Abzug der von diesen einbehaltenen Provision erhält, oder nach Maßgabe des Bruttobetrags, d. h. des Preises des Gegenstands vor Abzug dieser Provision, zu entrichten hatte. Bis zum Jahre 1988 hatte die Klägerin stets die Mehrwertsteuer nach dem Nettobetrag entrichtet. Im Anschluß an eine Steuerprüfung, die die Vorjahre bios zum Jahre 1984 betraf, entschied der Prüfer der Inspektion spéciale des impôts nach Neufestsetzung der Steuern für die Jahre 1984 bis 1987, daß die Provisionen bei der Berechnung der Besteuerungsgrundlage nicht abziehbar seien, und forderte von der Klägerin einen zusätzlichen Betrag von 2.206.000 BFR an Mehrwertsteuern mit Steuerbußen und Zinsen.
5 Die Klägerin zahlte diesen Betrag unter Vorbehalt und entrichtete ab 1989 die Mehrwertsteuer nach dem Bruttobetrag. Sie erhob beim Tribunal de premi...