Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges Eigentum. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung. Öffentliche Wiedergabe über Satellit. Begriff. Satellitenbouquet-Anbieter. Verbreitung von Programmen in einem anderen Mitgliedstaat. Ort der Verwertungshandlung, durch die der Anbieter an einer solchen Wiedergabe mitwirkt
Normenkette
RL 93/83/EWG Art. 1 Abs. 2
Beteiligte
AKM (Fourniture de bouquets satellitaires en Autriche) |
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM) |
Tenor
Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung
ist dahin auszulegen, dass
ein Satellitenbouquet-Anbieter, der verpflichtet ist, für eine Handlung in Form der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der betreffenden Urheberrechte und verwandten Schutzrechte einzuholen, diese Zustimmung – entsprechend der dem betreffenden Sendeunternehmen erteilten Zustimmung – nur in dem Mitgliedstaat einholen muss, in dem die programmtragenden Signale in die zum Satelliten führende Kommunikationskette eingegeben werden.
Tatbestand
In der Rechtssache C-290/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Mai 2021, in dem Verfahren
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM)
gegen
Canal+ Luxembourg Sàrl,
Beteiligte:
Tele 5 TM-TV GmbH,
Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG,
Seven.One Entertainment Group GmbH,
ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Richters P. G. Xuereb und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: S. Beer, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2022,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM), vertreten durch Rechtsanwalt N. Kraft,
- – der Canal+ Luxembourg Sàrl, vertreten durch Rechtsanwalt A. Anderl,
- – der Seven.One Entertainment Group GmbH und der ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Boesch,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und G. von Rintelen als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. September 2022
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. 1993, L 248, S. 15) und von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM), einer österreichischen Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, und der Canal+ Luxembourg Sàrl (im Folgenden: Canal+), einem Satellitenfernsehbetreiber, wegen der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen in Österreich durch Canal+.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 93/83
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 5, 14, 15 und 17 der Richtlinie 93/83 lauten:
„(5) Dennoch bestehen bei der grenzüberschreitenden Programmverbreitung über Satelliten gegenwärtig ebenso wie bei der Kabelweiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten noch eine Reihe unterschiedlicher nationaler Urheberrechtsvorschriften sowie gewisse Rechtsunsicherheiten. Dadurch sind die Rechtsinhaber der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Werke ohne entsprechende Vergütung verwertet werden oder dass einzelne Inhaber ausschließlicher Rechte in verschiedenen Mitgliedstaaten die Verwertung ihrer Werke blockieren. Vor allem bildet die Rechtsunsicherheit ein unmittelbares Hindernis für den freien Verkehr der Programme innerhalb der Gemeinschaft.
…
(14) Die die grenzüberschreitende Programmverbreitung über Satelliten behindernde Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die zu erwerbenden Rechte lässt sich beseitigen, indem die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke über Satellit auf Gemeinschaftsebe...