Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Tätigkeit und Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Teilweise Nichtumsetzung innerhalb der vorgeschriebenen Frist. Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird. Nichtdurchführung. Finanzielle Sanktionen. Pauschalbetrag
Normenkette
Richtlinie 2003/41/EG; AEUV Art. 260 Abs. 2
Beteiligte
Kommission / Tschechische Republik |
Tenor
1. Die Tschechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass sie bei Ablauf der in dem Mahnschreiben, das die Europäische Kommission gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV an sie gerichtet hatte, gesetzten Frist nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, die sich aus dem Urteil vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik (C-343/08), ergeben.
2. Die Tschechische Republik wird verurteilt, an die Europäische Kommission auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union” einen Pauschalbetrag von 250 000 Euro zu zahlen.
3. Die Tschechische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, eingereicht am 19. Mai 2011,
Europäische Kommission, vertreten durch Z. Malůšková, N. Yerrell und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek und J. Očková als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Rosas, G. Arestis, J. Malenovský und E. Jarašiūnas sowie der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, A. Ó Caoimh (Berichterstatter), C. G. Fernlund, J. L. da Cruz Vilaça und C. Vajda,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2012,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. März 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,
- festzustellen, dass die Tschechische Republik nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik (C-343/08, Slg. 2010, I-275, im Folgenden: Urteil Kommission/Tschechische Republik), ergeben, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 260 AEUV verstoßen hat, indem sie nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um den Art. 8, 9, 13, 15 bis 18 und 20 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (ABl. L 235, S. 10) nachzukommen, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie verstoßen hat,
- die Tschechische Republik zu verurteilen, ihr auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union” ein Zwangsgeld in Höhe von 22 364,16 Euro für jeden Tag zu zahlen, um den sich der Erlass der Maßnahmen verzögert, die sich aus dem Urteil Kommission/Tschechische Republik ergeben, und zwar vom Tag des Erlasses des Urteils in der vorliegenden Rechtssache an bis zu dem Tag, an dem die Maßnahmen ergriffen werden, die sich aus dem Urteil Kommission/Tschechische Republik ergeben,
- die Tschechische Republik zu verurteilen, ihr auf dasselbe Konto einen Pauschalbetrag in Höhe von 5 644,80 Euro für jeden Tag zu zahlen, um den sich der Erlass der Maßnahmen verzögert, die sich aus dem Urteil Kommission/Tschechische Republik ergeben, und zwar vom Tag des Erlasses jenes Urteils am 14. Januar 2010 an bis zum Tag des Erlasses des Urteils in der vorliegenden Rechtssache oder bis zu dem Tag, an dem die Maßnahmen ergriffen werden, die sich für die Tschechische Republik aus dem genannten Urteil ergeben, sofern dieser Tag dem Tag vorausgehen sollte, an dem das Urteil in der vorliegenden Rechtssache erlassen wird, und
- der Tschechischen Republik die Kosten aufzuerlegen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Die Erwägungsgründe 1, 6, 8 und 9 der Richtlinie 2003/41, die auf der Grundlage der Art. 47 Abs. 2 EG, 55 EG und 95 Abs. 1 EG erlassen wurde, lauten:
„(1) Ein echter Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen ist für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gemeinschaft von grundlegender Bedeutung.
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(6) Die vorliegende Richtlinie stellt damit einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem europaweit organisierten Binnenmarkt für die betriebliche Altersversorgung dar. Durch die Festlegung des ‚Grundsatzes der Vorsicht’ als grundlegendes Prinzip für Kapitalanlagen sowie die Ermöglichung der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Einrichtungen sollte die Bildung von Sparkapital im Bereich der betrieblichen Altersversorgung gefördert und so ein Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt geleistet werden.
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