Entscheidungsstichwort (Thema)
Beförderung von kranken Personen in Krankentransportwagen. Besondere oder ausschließliche Rechte. Wettbewerbsbeschränkung. Im Allgemeininteresse liegende Aufgabe des Gemeinwohls. Rechtfertigung. Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten
Normenkette
EG Art. 81-82, 86
Beteiligte
Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Rheinland-Pfalz e.V |
Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Rheinland-Pfalz e.V |
Vertreter des Öffentlichen Interesses, Mainz |
Tenor
- Durch eine nationale Rechtsvorschrift wie § 18 Absatz 3 des Rettungsdienstgesetzes in der Fassung vom 22. April 1991, nach der die zuständige Behörde die zur Durchführung von Leistungen des Krankentransports erforderliche Genehmigung versagt, wenn aufgrund ihres Gebrauchs mit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes zu rechnen ist, dessen Durchführung Sanitätsorganisationen wie den im Ausgangsrechtsstreit fraglichen übertragen wurde, kann diesen ein besonderes oder ausschließliches Recht im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) verliehen werden;
- sofern die Entscheidung über Erteilung oder Versagung der Genehmigung von den zuständigen Behörden einseitig und in alleiniger Verantwortung nach Maßgabe des Gesetzes getroffen wird, ohne dass es zwischen ihnen und den Sanitätsorganisationen oder zwischen diesen zu einer Vereinbarung oder Abstimmung kommt, liegt keine Verletzung von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe c EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG) vor;
- eine nationale Rechtsvorschrift wie § 18 Absatz 3 des Rettungsdienstgesetzes 1991 verstößt gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG), soweit feststeht, dass
- die Sanitätsorganisationen eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Notfalltransport haben,
- diese beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes besteht, und
- es angesichts der wirtschaftlichen Beschaffenheit des fraglichen Marktes ausreichend wahrscheinlich ist, dass diese Vorschrift Unternehmer mit Sitz in einem anderen als dem betreffenden Mitgliedstaat tatsächlich daran hindert, dort Krankentransport zu betreiben oder sich dort niederzulassen;
- eine Vorschrift wie § 18 Absatz 3 des Rettungsdienstgesetzes 1991 ist jedoch nach Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag gerechtfertigt, soweit sie nicht ausschließt, dass unabhängigen Unternehmern eine Genehmigung erteilt wird, falls die mit dem Rettungsdienst betrauten Sanitätsorganisationen offensichtlich nicht in der Lage sind, die Nachfrage im Bereich der Leistungen des Notfall- und des Krankentransports zu decken.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Firma Ambulanz Glöckner
gegen
Landkreis Südwestpfalz,
beteiligt:
Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.,
Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Rheinland-Pfalz e.V.,
und
Vertreter des Öffentlichen Interesses, Mainz,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer S. von Bahr in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward, A. La Pergola, M. Wathelet (Berichterstatter), und C. W. A. Timmermans,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Firma Ambulanz Glöckner, vertreten durch die Rechtsanwälte R. Steiling und C. Bittner,
- des Landkreises Südwestpfalz, vertreten durch R. Spies als Bevollmächtigten,
- des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., vertreten durch den Landesvorsitzenden O. Fechner und den stellvertretenden Landesvorsitzenden H. Gauf,
- des Vertreters des Öffentlichen Interesses, vertreten durch W. Demmerle als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte;
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Erhardt und K. Wiedner als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Firma Ambulanz Glöckner, vertreten durch R. Steiling und C. Bittner, des Landkreises Südwestpfalz, vertreten durch R. Spies, des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., vertreten durch H. Gauf und Landesgeschäftsführer S. Rheinheimer, des Vertreters des öffentlichen Interesses, Mainz, vertreten durch H.-P. Hennes als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch M. Erhardt in der Sitzung vom 22. Februar 2001,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Mai 2001,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz h...