Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Zuständigkeit für Klagen aus ‚unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist’. Richtlinie 2000/31/EG. Veröffentlichung von Informationen im Internet. Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Auf Dienste der Informationsgesellschaft anwendbares Recht
Beteiligte
Tenor
1. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist.
2. Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) ist dahin auszulegen, dass er keine Umsetzung in Form einer speziellen Kollisionsregel verlangt. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch vorbehaltlich der bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2001/31 gestatteten Ausnahmen im koordinierten Bereich sicherstellen, dass der Anbieter eines Dienstes des elektronischen Geschäftsverkehrs keinen strengeren Anforderungen unterliegt, als sie das im Sitzmitgliedstaat dieses Anbieters geltende Sachrecht vorsieht.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) (C-509/09) und vom Tribunal de grande instance de Paris (Frankreich) (C-161/10) mit Entscheidungen vom 10. November 2009 und vom 29. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Dezember 2009 und am 6. April 2010, in den Verfahren
eDate Advertising GmbH
gegen
X
und
Olivier Martinez,
Robert Martinez
gegen
MGN Limited
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter E. Levits, A. Ó Caoimh, L. Bay Larsen und T. von Danwitz,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der eDate Advertising GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte H. Graupner und M. Dörre,
- von X, vertreten durch Rechtsanwalt A. Stopp,
- der MGN Limited, vertreten durch C. Bigot, avocat,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch W. Ferrante als Bevollmächtigte,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und E. Riedl als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch F. Penlington als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stratford, QC,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung) und von Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte ...