Entscheidungsstichwort (Thema)
Marken. Richtlinie 89/104/EWG. Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a. Ernsthafte Benutzung. Benutzung in einer ihrerseits als Marke eingetragenen Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird. Zeitliche Wirkungen eines Urteils
Beteiligte
Tenor
1. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er es dem Inhaber einer eingetragenen Marke nicht verwehrt, sich zum Nachweis für deren Benutzung im Sinne dieser Vorschrift darauf zu berufen, dass sie in einer von ihrer Eintragung abweichenden Form benutzt wird, ohne dass die Unterschiede zwischen diesen beiden Formen die Unterscheidungskraft der Marke beeinflussen, und zwar ungeachtet dessen, dass die abweichende Form ihrerseits als Marke eingetragen ist.
2. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104 ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung der zu seiner Umsetzung in nationales Recht erlassenen nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach er nicht für eine „Defensivmarke” gilt, deren Eintragung nur dazu dient, den Schutzbereich einer anderen eingetragenen Marke abzusichern oder auszuweiten, die in der Form, in der sie benutzt wird, eingetragen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. August 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 2. November 2011, in dem Verfahren
Bernhard Rintisch
gegen
Klaus Eder
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), E. Juhász, T. von Danwitz und D. Šváby,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Eder, vertreten durch Rechtsanwalt M. Douglas,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Rintisch und Herrn Eder über die ernsthafte Benutzung einer Marke, die in einer Form benutzt wird, die von der Form, in der sie eingetragen wurde, nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, wobei die benutzte Form ebenfalls als Marke eingetragen ist.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 5 C Abs. 2 der am 20. März 1883 in Paris unterzeichneten Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Band 828, Nr. 11851, S. 305, im Folgenden: Pariser Verbandsübereinkunft), bestimmt:
„Wird eine Fabrik- oder Handelsmarke vom Inhaber in einer Form gebraucht, die von der Eintragung in einem der Verbandsländer [d. h. der Länder, auf die die Pariser Verbandsübereinkunft Anwendung findet] nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, so soll dieser Gebrauch die Ungültigkeit der Eintragung nicht nach sich ziehen und den der Marke gewährten Schutz nicht schmälern.”
Unionsrecht
Rz. 4
Der zwölfte Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 lautet:
„Da alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft durch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums gebunden sind, ist es erforderlich, dass sich die Vorschriften dieser Richtlinie mit denen der erwähnten Pariser Verbandsübereinkunft in vollständiger Übereinstimmung befinden. Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die sich aus dieser Übereinkunft ergeben, werden durch diese Richtlinie nicht berührt. Gegebenenfalls findet Artikel [267] Absatz 2 [AEUV] Anwendung.”
Rz. 5
Art. 10 („Benutzung der Marke”) Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 89/104, der unverändert in Art. 10 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) übernommen wurde – lediglich die Nummerierung der Absätze dieses Artikels wurde geändert –, bestimmt:
„(1) Hat der Inhaber der Marke diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren nach dem Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahren...