Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Frist für die Anmeldung von Forderungen in einem Insolvenzverfahren. Anmeldung von Forderungen in einem in einem Mitgliedstaat anhängigen Sekundärinsolvenzverfahren durch den Verwalter des in einem anderen Mitgliedstaat anhängigen Hauptinsolvenzverfahrens. Im Recht des Staates der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens vorgesehene Ausschlussfrist

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 Art. 4, 28, 32 Abs. 2

 

Beteiligte

ALPINE BAU

NK

 

Tenor

Art. 32 Abs. 2 in Verbindung mit den Art. 4 und 28 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Anmeldung von bereits im Hauptinsolvenzverfahren angemeldeten Forderungen durch den Verwalter dieses Verfahrens in einem Sekundärinsolvenzverfahren den Vorschriften über die Fristen für die Anmeldung von Forderungen und über die Folgen verspäteter Anmeldungen unterliegt, die nach dem Recht des Staates gelten, in dem das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Višje sodišče v Ljubljani (Obergericht Ljubljana, Slowenien) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Januar 2020, in dem Verfahren eingeleitet von

NK als Insolvenzverwalter der Alpine BAU GmbH,

Beteiligte:

AlpineBAUGmbH, Salzburg – Zweigniederlassung Celje, in Insolvenz,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Neunten Kammer sowie der Richter S. Rodin und N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von NK als Insolvenzverwalter der Alpine BAU GmbH, vertreten durch L. T. Štruc, odvetnica,
  • der Alpine BAU GmbH, Salzburg – Zweigniederlassung Celje, in Insolvenz, vertreten durch V. Sodja, odvetnica,
  • der slowenischen Regierung, vertreten durch V. Klemenc als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kocjan und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Mai 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 32 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines von NK als Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Alpine BAU GmbH, eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, gegen den Beschluss des Okrožno sodišče v Celje (Regionalgericht Celje, Slowenien) angestrengten Verfahrens, mit dem sein Antrag auf Anmeldung von Forderungen in Slowenien nach der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in diesem anderen Mitgliedstaat wegen Verspätung zurückgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 6 und 19 bis 23 der Verordnung Nr. 1346/2000 heißt es:

„(6) Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts, die ebenfalls diesem Grundsatz genügen, enthalten.

(19) Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann neben dem Schutz der inländischen Interessen auch anderen Zwecken dienen. Dies kann der Fall sein, wenn das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als ganzes verwaltet zu werden, oder weil die Unterschiede in den betroffenen Rechtssystemen so groß sind, dass sich Schwierigkeiten ergeben können, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung seine Wirkung in den anderen Staaten, in denen Vermögensgegenstände belegen sind, entfaltet. Aus diesem Grund kann der Verwalter des Hauptverfahrens die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen, wenn dies für die effiziente Verwaltung der Masse erforderlich ist.

(20) Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren können jedoch nur dann zu einer effizienten Verwertung der Insolvenzmasse beitragen, wenn die parallel anhängigen Verfahren koordiniert werden. Wesentliche Voraussetzung ist hierzu eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Verwalter, die insbesondere einen hinreichenden Informationsaustausch beinhalten muss. Um die dominierende Rolle des Hauptinsolvenzverfahrens sicherzustellen, sollten dem Verwalter dieses Verfahrens mehrere Einwirkungsmöglichkeiten auf gleichzeitig anhängige Sekundärinsolvenzverfahren gegeben werden. Er sollte etwa einen Sanierungsplan oder Vergleich vo...

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