Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Kartelle. Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen. Koordinierung der Verkaufspreise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen. Obergrenze von 10 % des Umsatzes. Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006. Rückwirkungsverbot. Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Überlange Verfahrensdauer
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Art. 23 Abs. 2
Beteiligte
Aloys F. Dornbracht / Kommission |
Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. November 2013,
Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG mit Sitz in Iserlohn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Janssen und T. Kapp,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und L. Malferrari als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Rat der Europäischen Union,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits, S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2015,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Aloys F. Dornbracht GmbH & Co. KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Dornbracht/Kommission (T-386/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2013:450), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, oder, hilfsweise, auf Herabsetzung der in diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sieht vor:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …
…
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”
Leitlinien von 2006
Rz. 3
In den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) heißt es in Ziff. 2 zur Bemessung der Geldbußen, dass „die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen [muss]” und dass „die in Artikel 23 Absatz 2 Unterabsätze 2 und 3 der [Verordnung Nr. 1/2003] genannten Obergrenzen nicht überschritten werden [dürfen]”.
Rz. 4
Die Ziff. 19, 21, 23 und 37 der Leitlinien von 2006 sehen vor:
„19. Zur Bestimmung des Grundbetrags [der Geldbuße] wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.
…
21. Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.
…
23. Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen … zur Festsetzung von Preisen … gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.
…
37. In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.”
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss
Rz. 5
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 29 des angefo...