Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Belgischer, deutscher, französischer, italienischer, niederländischer und österreichischer Markt für Badezimmerausstattungen. Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum festgestellt wird. Koordinierung der Verkaufspreise und Austausch sensibler Geschäftsinformationen. Einheitliche Zuwiderhandlung. Beweis. Geldbußen. Unbeschränkte Nachprüfung. Angemessene Verfahrensdauer. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
AEUV Art. 101
Beteiligte
Villeroy und Boch / Kommission |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Villeroy & Boch SAS trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 29. November 2013,
Villeroy & Boch SAS mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: J. Philippe, avocat,
Rechtsmittelführerin,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, L. Malferrari und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin M. Berger sowie der Richter E. Levits, S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. November 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Villeroy & Boch SAS (im Folgenden: Rechtsmittelführerin oder Villeroy & Boch Frankreich) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 16. September 2013, Villeroy & Boch Austria u. a./Kommission (T-373/10, T-374/10, T-382/10 und T-402/10, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2013:455), soweit mit ihm ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses K(2010) 4185 endg. der Kommission vom 23. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39092 – Badezimmerausstattungen) (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit er sie betrifft, abgewiesen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
In Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) ist bestimmt:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …
…
Die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung darf 10 % seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen.
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”
Leitlinien von 2006
Rz. 3
Nach Ziff. 2 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) muss die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen „die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen”; außerdem „dürfen die in Artikel 23 Absatz 2 Unterabsätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 genannten Obergrenzen nicht überschritten werden”.
Rz. 4
Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 lautet:
„In diesen Leitlinien wird die allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen dargelegt; jedoch können die besonderen Umstände eines Falles oder die Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung ein Abweichen von dieser Methode oder der in Ziffer 21 festgelegten Obergrenze rechtfertigen.”
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss
Rz. 5
Die vom Kartell betroffenen Produkte sind Badezimmerausstattungen, die zu einer der drei folgenden Produktuntergruppen gehören: Armaturen, Duschabtrennungen und -zubehör sowie Sanitärkeramik (im Folgenden: drei Produktuntergruppen).
Rz. 6
Die vom Gericht in den Rn. 1 bis 19 des angefochtenen Urteils dargestellte Vorgeschichte des Rechtsstreits lässt sich wie folgt zusammenfassen.
Rz. 7
Mit dem streitigen Beschluss stellte die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) im Badezimmerausstattungssektor fest. Diese Zuwiderhandlung, an der 17 Unternehmen beteiligt gewesen seien, habe in verschiedenen Zeiträumen zwischen dem 16. Oktober 1992 und dem 9. November 2...