Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 43 EG und 56 EG. Satzungen privatisierter Unternehmen. Kriterien für die Ausübung bestimmter Sonderrechte des Staates
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Durch den Erlass der Bestimmungen des Art. 1 Abs. 2 des Dekrets des Präsidenten des Ministerrats vom 10. Juni 2004 zur Bestimmung der Kriterien für die Ausübung der in Art. 2 des Decreto-legge Nr. 332 vom 31. Mai 1994, mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 474 vom 30. Juli 1994 (Decreto del Presidente del Consiglio dei Ministri, definizione dei criteri di esercizio dei poteri speciali, di cui all'art. 2 del decreto-legge 31 maggio 1994, n. 332, convertito, con modificazioni, dalla legge 30 luglio 1994, n. 474) vorgesehenen Sonderrechte hat die Italienische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus
- den Art. 43 EG und 56 EG, soweit diese Bestimmungen auf die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b dieses Decreto-legge in der durch das Gesetz Nr. 350 mit Bestimmungen für die Aufstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts (Finanzgesetz 2004) (Legge n. 350, disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato [Legge finanziaria 2004]) geänderten Fassung vorgesehenen Sonderrechte angewandt werden, und
- aus Art. 43 EG, soweit diese Bestimmungen auf das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. c vorgesehene Sonderrecht angewandt werden,
verstoßen.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 13. Juli 2007,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues und J. Klučka, der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin) sowie des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2008,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. November 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften festzustellen, dass die Italienische Republik durch das Einfügen von Bestimmungen in Art. 1 Abs. 2 des Dekrets des Präsidenten des Ministerrats vom 10. Juni 2004 zur Festlegung von Kriterien für die Ausübung der Sonderrechte im Sinne des Art. 2 des Decreto-legge Nr. 332 vom 31. Mai 1994, mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 474 vom 30. Juli 1994 (Decreto del Presidente del Consiglio dei Ministri, definizione dei criteri di esercizio dei poteri speciali, di cui all'art. 2 del decreto-legge 31 maggio 1994, n. 332, convertito, con modificazioni, dalla legge 30 luglio 1994, n. 474) (GURI Nr. 139 vom 16. Juni 2004, S. 26, im Folgenden: Dekret von 2004) gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Das Decreto-legge Nr. 332/1994
Rz. 2
Das Decreto-legge Nr. 332 vom 31. Mai 1994 mit Bestimmungen über die Beschleunigung der Verfahren zum Verkauf von staatlichen und öffentlichen Beteiligungen an Aktiengesellschaften (Decreto-legge n. 332, norme per l'accelerazione delle procedure di dismissione di partecipazioni dello Stato e degli enti pubblici in società per azioni) (GURI Nr. 126 vom 1. Juni 1994, S. 38) wurde mit Änderungen umgewandelt in das Gesetz Nr. 474 vom 30. Juli 1994 (GURI Nr. 177 vom 30. Juli 1994, S. 5). Dieses Decreto-legge wurde später durch das Gesetz Nr. 350 mit Bestimmungen für die Erstellung des jährlichen und mehrjährigen Staatshaushalts (Haushaltsgesetz 2004) (Legge n. 350, disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato [Legge finanziaria 2004]) vom 24. Dezember 2003 geändert (GURI Nr. 196, Supplemento ordinario, vom 27. Dezember 2003, im Folgenden: Finanzgesetz Nr. 350/2003). Dieses Decreto-legge in der umgewandelten und geänderten Fassung (im Folgenden: Decreto-legge Nr. 332/1994) sieht vor, dass der Staat bei bestimmten Gesellschaften über Sonderrechte verfügt (im Folgenden: Sonderrechte).
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 des Decreto-legge Nr. 332/1994 bestimmt:
„Durch Dekret des Präsidenten des Ministerrats, erlassen auf Vorschlag des Wirtschafts- und Finanzministers im Benehmen mit dem Minister für Produktionstätigkeiten und den zuständigen Fachministern und nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Parlamentsausschüsse, werden unter den unmittelbar oder mittelbar vom Staat kontrollierten Gesellschaften, die auf den Gebieten der Verteidigung, des Verkehrs, der Telekommunikation, der Energiequellen und sonstiger öffentli...