Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges und gewerbliches Eigentum. Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Öffentliche Wiedergabe. Begriff. Verkauf eines multimedialen Medienabspielers. Zusätzliche Module (Add-ons). Veröffentlichung von Werken ohne Erlaubnis ihres Inhabers. Zugang zu Streamingseiten (Streaming). Vervielfältigungsrecht. Ausnahmen und Beschränkungen. Rechtmäßige Nutzung
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, 5
Beteiligte
Tenor
1. Der Begriff „öffentliche Wiedergabe” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er den Verkauf eines multimedialen Medienabspielers wie des im Ausgangsverfahren fraglichen erfasst, auf dem im Internet verfügbare Add-ons vorinstalliert wurden, die Hyperlinks zu für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Websites enthalten, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich gemacht wurden.
2. Art. 5 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass Handlungen der vorübergehenden Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks durch Streaming von der Website eines Dritten, auf der dieses Werk ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers angeboten wird, auf einem multimedialen Medienabspieler wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht die in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen erfüllen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Midden-Nederland (Bezirksgericht Midden-Nederland, Niederlande) mit Entscheidung vom 30. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Oktober 2015, in dem Verfahren
Stichting Brein
gegen
Jack Frederik Wullems, auch handelnd unter dem Namen „Filmspeler”,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter) des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer, der Richterinnen A. Prechal und C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Stichting Brein, vertreten durch D. Visser und P. de Leeuwe, advocaten,
- von Herrn Wullems, auch handelnd unter dem Namen „Filmspeler”, vertreten durch J. van Groenendaal, D. Stols und F. Blokhuis, advocaten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und D. Segoin als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, T. Rendas und M. Figueiredo als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, T. Scharf und F. Wilman als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Stichting Brein, einer Stiftung, die die Interessen der Urheberrechtsinhaber wahrnimmt, und Herrn Jack Frederik Wullems über dessen Verkauf eines multimedialen Medienabspielers, der urheberrechtlich geschützte audiovisuelle Werke ohne die Erlaubnis ihrer Inhaber frei zugänglich macht.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 9, 10, 23, 27 und 33 der Richtlinie 2001/29 lauten:
„(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
(10) Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen ...