Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt, zu dem der Umsatzsteueranspruch entsteht
Leitsatz (redaktionell)
In dem Verfahren ging es um die Auslegung von Artikel 10 Abs. 2 Unterabs. 3 der 6. EG-Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, daß der Steueranspruch abweichend von dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung bewirkt wird, für bestimmte Umsätze oder für Gruppen von Steuerpflichtigen entweder bei der Rechnungsausstellung oder bei der Vereinnahmung entsteht. Im Streitfall war eine Dienstleistung ausgeführt worden, für die – wie bei allen Dienstleistungen – nach italienischem Umsatzsteuerrecht die Steuer in dem Zeitpunkt entsteht, in dem das Entgelt vereinnahmt wird.
Der EuGH hat entschieden, daß diese Form der sogenannten Ist-Versteuerung zulässig ist. Es sei den Mitgliedstaaten erlaubt, als Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs für alle Dienstleistungen die Vereinnahmung des Preises festzusetzen.
Beteiligte
Gründe
Urteil des Gerichtshofes
(Fünfte Kammer)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Auslegung des Artikels 10 Absatz 2 – Eintritt des Steueranspruchs – Umfang der Abweichungsbefugnis der Mitgliedstaaten”
In der Rechtssache C-144/94
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag von der Commissione tributaria centrale in dem dort anhängigen Rechtsstreit
Ufficio IVA di Trapani
gegen
Italittica SpA
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 10 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erläßt
Der Gerichtshof
(Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der
Richter J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), C. Gulmann, P. Jann und L. Sevón,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: L Hewlett, Verwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
der italienischen Regierung, vertreten durch Professor Luigi Ferrari Bravo, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Außenministeriums als Bevollmächtigten, und Maurizio Fiorilli, Avvocato dello Stato,
der französischen Regierung, vertreten durch Catherine de Salins, Sousdirecteur in der Direction des affaires juridiques des Außenministeriums, und Jean-Louis Falconi, Secrétaire des affaires étrangères, ebenda, als Bevollmächtigte,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Stephen Braviner, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten, im Beistand von Barrister Vivien Rose,
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Beklagten, vertreten durch Handelsberater F. Rocca, der italienischen Regierung, der französischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Barrister A. W. H. Charles, und der Kommission, vertreten durch Rechtsberater E. de March als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 8. Juni 1995,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 1995,
folgendes
Urteil
1 Die Commissione tributaria centrale hat mit Beschluß vom 24. März 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 10 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma Italittica (Klägerin) und dem Ufficio IVA di Trapani (Mehrwertsteueramt).
3 Die Klägerin, die Fischzucht betreibt, schloß mit der Sangiovanni Industrie Riunite (Sangiovanni) zwei Verträge über die Errichtung eines Gebäudes für ihr Gewerbe. Sangiovanni stellte drei Rechnungen und über den offenen Betrag am 17. Oktober 1980 eine Pro-forma-Rechnung über 338 215 680 LIT aus, ohne die Mehrwertsteuer zu erwähnen.
4 Bei einer Steuerkontrolle wurde festgestellt, daß die Klägerin das Gebäude in ihre Bilanz für das Jahr 1980 aufgenommen und ihre Schuld gegenüber Sangiovanni unter der Rubrik „offene Rechnungen” eingetragen hatte, ohne die Mehrwertsteuer zu erwähnen. Das Mehrwertsteueramt sah darin einen Verstoß der Klägerin gegen Artikel 41 vierter Gedankenstrich des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 über die Einführung und Regelung der Mehrwertsteuer (GURI Nr. 292 vom 11. November 1972; Präsidialdekret) und verhängte gegen die Klägerin ein Bußgeld von 94 700 000 LIT.
5 Artikel 41 vierter Gedankenstrich des Präsidialdekrets lautet:
„Ein Lieferungsempfänger oder Auftraggeber, der im Rahmen eines Erwerbsgeschäftes oder eines Berufes Gegenstände oder Die...